Was sich kusst das liebt sich
besten Freundin, weil sie ihnen mit einem Tampon ausgeholfen oder ihnen die Kondome aus ihrer Goody Bag geschenkt hatte, für die sie definitiv keine Verwendung hatte. Wenn sie von ihren regelmäßigen Toilettenbesuchen zurückkehrten, hatten sie oft einen starren Blick in den glänzenden Augen und redeten lauter und lebhafter als vorher. Erst dachte Neve, die vielen Gratisdrinks seien der Grund für die zahlreichen Klopausen, bis sie eines Tages neben einer dieser neuen besten Freundinnen in der Schlange am WC stand und gefragt wurde, ob sie sich » eine Line reinziehen« wolle.
» Eine was?«, fragte Neve ahnungslos, weil sie nicht im Traum darauf gekommen wäre, dass sie einmal jemanden kennenlernen würde, der harte Drogen nahm, und noch viel weniger, dass man ihr auch welche anbieten würde.
» Ach, entschuldige«, hatte die junge Frau gesagt. » Max hat erwähnt, dass du jahrelang auf Entzug warst. Muss echt übel gewesen sein.«
Neve hatte nur genickt. » Es war furchtbar.« Max hatte es doch tatsächlich geschafft, eine Erklärung für ihre Abstinenz zu finden, die keinen von ihnen in Verlegenheit brachte. Seine Freunde nahmen an, sie hätte eine interessante Vergangenheit, und Max musste sich nicht schämen, weil seine Freundin ausschließlich Weißweinschorlen oder Mineralwasser mit Limettensaft konsumierte. Eine klassische Win-win-Situation, selbst wenn sie damit zum Ex-Junkie abgestempelt war.
Wenn sie sich wie üblich Punkt Mitternacht von ihm verabschiedete, bot er ihr stets an, ihr ein Taxi zu bezahlen, nur um sie gleich darauf zur U-Bahn zu begleiten. » Na, hast du schon Spaß?«, fragte er jedes Mal und schüttelte seufzend den Kopf, wenn Neve von den erhaltenen Geschenken, den Kanapees oder einem der Schauspieler schwärmte, mit denen sie geplaudert hatte (von denen einer sogar eine Spielzeit lang der Royal Shakespeare Company angehört hatte).
» Wenn du das als Spaß bezeichnest, dann hast du noch keinen Spaß«, erwiderte Max darauf. » Aber du musst doch zugeben, dass ich der netteste, charmanteste Mensch bin, den du kennst, oder?«
» Ich finde allmählich Gefallen an dir«, sagte sie dann, und das Ende vom Lied war, dass er den Mund öffnete und eine von seinen Plattitüden von sich gab. In den vergangenen Wochen hatten sie sich gut zehnmal getroffen, und sie kannte ihn immer noch kein bisschen besser. Sie wusste nicht, wo er aufgewachsen war (obwohl er mit einem kaum merklichen nordenglischen Akzent sprach) oder wovor er sich fürchtete, und sie hatte keine Ahnung, wie er zur EU oder zu Fair-Trade-Produkten stand. Sie hörte nur immer wieder dieselben Sätze in Endlosschleife: » Toll siehst du aus«… » Wir stehen auf der Liste, Baby«… » Schätzchen«… » Süße«… » Lass uns auf die After-Party gehen«… und natürlich » Hast du schon Spaß?« Das reichte nicht einmal für eine Freundschaft, geschweige denn für eine Beziehung, aber das konnte sie ihm schwerlich sagen.
Also seufzte er erneut, drückte ihr einen flüchtigen Kuss auf den Mundwinkel und versprach, ihr eine SMS mit den Details zum nächsten Event zu schicken– » das wird garantiert ein Spaß!«– und dann ging er zurück auf die Party, um sich ein Mädchen für den Rest des Abends zu suchen.
Neve fragte sich oft, was wohl passieren würde, wenn sie Max eines Abends erklärte, dass sie Mega-Spaß hatte und er ihr neuer bester Freund war. Wahrscheinlich wäre das das Ende ihrer Pfannkuchenbeziehung, weil sie dann keine Herausforderung mehr für ihn darstellte. Oder aber er beschloss, die nächste Phase seines Plans umzusetzen, in der Neve betteln würde, mit ihm zu schlafen, weil sie endlich wissen wollte, wie es sich anfühlte, wenn er seinen heißen, harten Körper an ihr nacktes Fleisch schmiegte. Und das würde garantiert niemals geschehen.
Alles in allem lief es mit Max aber besser als erwartet– bis sie eines Tages von Celia unsanft wachgerüttelt wurde. Es war Donnerstagabend, und auf der Party, auf der sie sich befanden, ging es um die Werbeekampagne für… Nun, Neve war nicht ganz sicher, aber es hatte etwas mit einer Modekette und einem vielversprechenden neuen Designer zu tun. Sie saß in irgendeiner VIP -Lounge auf einem roten Samtsofa, Max war kurz verschwunden, um sich nach dem Verbleib der Gratisgetränke zu erkundigen, und Neve hatte zur Abwechslung einen wirklich interessanten Gesprächspartner gefunden– einen Mann mittleren Alters, der für die Lifestyleredaktion einer
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