Was sich kusst das liebt sich
raus, damit du nicht gar so jungfräulich wirkst«, tönte es vom Bett her. » Oder willst du mir vielleicht doch etwas mitteilen?«
» Selbst wenn mit Max etwas laufen würde, was garantiert nie, nie, nie der Fall sein wird, dann wärst du der letzte Mensch, dem ich es erzählen würde. Nein, der Viertletzte.«
» Ach, noch nach Mum, Dad und Douglas? Vielen Dank auch.« Celia musterte sie eingehend. » Aber irgendetwas läuft da zwischen euch, ich spüre es. Du trägst einen Rock, der nur bis zum Knie geht statt übers Knie– und ein Top, in dem man den Ansatz deines Busens sieht. Keine weiteren Fragen, Euer Ehren.«
Neve betrachte sich ein letztes Mal kritisch im Spiegel. Sie konnte ihre schwarzen Sackkleider nicht mehr sehen, deshalb trug sie zur Abwechslung ein Spitzenhemdchen, ein schwarzes Wickeltop und dazu einen schwarzen Glockenrock mit roten Filzröschen am Saum. Sie hatte kurz in Erwägung gezogen, dazu die rote Strumpfhose anzuziehen, die ihre Mutter ihr gekauft hatte, aber darin sahen ihre Waden aus wie die von König Heinric h V III . Also doch lieber blickdichte schwarze Strümpfe, wie gehabt.
» Das Outfit ist doch okay, oder? Wirke ich etwa… stämmig?«
» Du siehst toll aus«, insistierte Celia. » Du hast wenistens eine richtige Taille! Du weißt ja gar nicht, was für ein Glück du hast. Ich seh aus wie eine verdammte Angelrute.«
» Quatsch.«
» Jedenfalls wirkst du nicht stämmig. Kein bisschen.« Celia klang, als wäre sie den Tränen nah, und sie war blasser als sonst; ein deutliches Zeichen dafür, dass sie innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden ihre Tage bekommen würde.
» Warum bleibst du heute nicht mal zu Hause?«, schlug ihr Neve vor.
» Ich kann doch unmöglich am Samstagabend zu Hause hocken!«, empörte sich Celia und rappelte sich auf. » Mir geht’s gut, siehst du? Ich bin startklar. Lass uns zusammen zur U-Bahn gehen. Und wenn du jetzt statt Stöckelschuhen Ballerinas anziehst, gibt es Haue.«
Celia schleifte bei jedem Schritt die Beine nach, als sie kurz darauf Arm in Arm die Stroud Green Road entlanggingen. » Das mit Max und mir ist wirklich nichts Ernstes«, beteuerte Neve. » Ich liebe William, und für Max ist das alles bloß eine nette Abwechslung. Ein Spiel.«
» Max liebt es, Spiele zu spielen. Wir ziehen ihn zwar immer damit auf, dass er eine männliche Nutte ist, aber wenn er so richtig aufdreht, ist er ziemlich unwiderstehlich.«
» Aber ich habe ihn längst durchschaut. Trau mir doch ein bisschen Menschenkenntnis zu, ja?« Neve legte ihrer Schwester beruhigend eine Hand auf den Arm. » In ein paar Wochen wird er sich derart langweilen, dass er mir sehr sanft und schonend den Laufpass geben wird, und das ist völlig in Ordnung. Wir haben nichts gemeinsam, und auch wenn ich kurz dachte, ich hätte einen Blick hinter seine oberflächliche Fassade erhascht, glaube ich inzwischen, dass dahinter gähnende Leere herrscht.«
» Dann mach jetzt gleich mit ihm Schluss, statt dich von ihm auf all diese Partys zerren zu lassen. Du hasst Partys.« Celia brach ab und bedachte Neve mit einem ungewöhnlich aufmerksamen Blick. » Obwohl du am Donnerstagabend, bevor ich dir die Szene gemacht habe, zur Abwechslung nicht den Eindruck erweckt hast, als würdest du tausend Tode sterben. Man hätte fast meinen können, dass du dich amüsierst. Wie kommt das bloß?«
» Ach, das verstehst du sowieso nicht«, winkte Neve ab.
» Nun komm, erklär’s mir!«
» Erinnerst du dich an meinen Klassenkameraden Danny McGee?« Eine rein rhetorische Frage– alle an ihrer Schule hatten Danny mit den verträumten blauen Augen, dem schelmischen Grinsen und der komischen Art zu rauchen (er hatte die Zigarette stets zwischen Daumen und Zeigefinger gehalten) gekannt und geliebt. Ihr Bruder Douglas hatte zwar auch als Herzensbrecher gegolten, aber neben Danny hatte er sich ausgemacht wie Quasimodo. Ein Mädchen aus der Klasse über ihr hatte sogar versucht, sich die Pulsadern mit einem Bic-Rasierer aufzuschneiden, weil Danny nach zwei Dates mit ihr Schluss gemacht hatte.
Celia seufzte verzückt. » Danny McGee. Ich habe ein Jahr lang täglich dein Klassenfoto geküsst, obwohl von ihm darauf nur ein paar Stirnfransen und ein Auge zu sehen waren. Was der wohl inzwischen macht?«
Soweit Neve gehört hatte, saß er wegen Einbruch und Körperverletzung im Gefängnis, aber das tat jetzt nichts zur Sache. » Du erinnerst dich vielleicht auch daran, dass ich im Englischunterricht mal
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