Was sich liebt, das küsst sich - Gibson, R: Was sich liebt, das küsst sich - Nothing but Trouble
engagierten und nicht sie. Sie war auf die Rolle des hübschen Dummchens oder des Flittchens
festgelegt. Wenn ihre Brüste kein ausschlaggebender Faktor mehr waren, müssten die Besetzungschefs sie endlich ernst nehmen und ihrem Talent mehr Beachtung schenken als ihrem Körper.
Und wenn du es trotzdem nicht schaffst? , fragte eine winzige, pessimistische Windung ihres Hirns. Sie würde sich zwei Jahre Zeit geben. Nein, fünf. Wenn sie mit fünfunddreißig noch immer keine bedeutende Rolle an Land gezogen hatte, würde sie sich etwas anderes suchen. Was zwar traurig wäre, aber dann hätte sie sich zumindest nichts vorzuwerfen. Zum Beispiel, dass sie ihren Lebenstraum nicht verfolgt hätte. Und schon gar nicht, dass sie sich ihre schweren Brüste hatte verkleinern lassen.
Für die fünf Blocks zum Chinooks-Bürogebäude brauchte sie nicht mal zehn Minuten Fußmarsch. Da sie in der Woche zuvor schon dort gewesen war, fand sie die Personalabteilung mühelos. Nachdem sie die Versicherungsformulare ausgefüllt hatte, begab sie sich in die Public-Relations-Abteilung, wo ihre Schwester arbeitete. Als sie das Büro betrat, spürte sie sofort, dass etwas nicht stimmte.
Bo saß auf der Kante ihres Schreibtischs, die Hände vors Gesicht geschlagen. Vor ihr stand Jules Garcia. »Du machst dir unnötig Sorgen«, beruhigte er sie.
»Du hast leicht reden. Du musst es ja nicht wieder geradebiegen. «
»Du brauchst nichts geradezubiegen.«
»Noch nicht.«
»Hallo, ihr«, rief Chelsea, als sie näher kam.
Bo ließ die Hände sinken. »Hey, Chels.«
»Hallo«, begrüßte Jules sie und musterte mit seinen herrlich grünen Augen ihren Pfauenfummel von Gaultier. Als
sie Jules neulich Abend kennengelernt hatte, war sie davon ausgegangen, dass er schwul war. Er war einfach zu gut aussehend und zu sehr auf sein Äußeres bedacht, um hetero zu sein. Sein muskelbepackter Körper schrie förmlich »schwul!«, doch schon kurze Zeit in seiner Gesellschaft hatte alle Unklarheiten beseitigt. Chelsea hatte schon mit vielen Schwulen zu tun gehabt, genau wie mit Heteros, und Jules gehörte zu der seltenen Spezies, die sich nicht so leicht dem einen oder anderen Lager zuordnen ließ. Anders als Mark Bressler. Für welche Mannschaft Mark spielte, stand nie zur Debatte. Sein ganzer Körper strömte Hetero-Toxine aus. Jules’ Sexualität hingegen war versteckter, verborgen hinter Haargel und modischem Wagemut. Wie das Hemd mit lavendel- und pinkfarbenen Streifen, dem er heute den Vorzug gegeben hatte.
»Stimmt was nicht?«, fragte Chelsea unsicher.
Bo reichte ihr den Sportteil der Seattle Times . Ein vergrößertes Foto, auf dem mehrere Männer auf einer Yacht standen, von denen einer aus dem Stanley-Cup Bier auf Frauen im Bikini goss, nahm den Großteil der Titelseite ein. Die Schlagzeile lautete: Chinooks feiern vor Vashon mit Lord Stanleys Pokal.
»Sie feiern mit dem Stanley-Cup? Dürfen die das denn?« Chelsea starrte fassungslos auf das Bild. Es war leicht unscharf, aber deutlich genug zu erkennen. »Ich meine, ist das erlaubt?«
»Es ist sogar Tradition«, versicherte ihr Jules. »Jeder aus der Mannschaft kriegt den Pokal für einen Tag.«
»Und sie können damit machen, was sie wollen?« Langsam dämmerte ihr, warum Bo sich solche Sorgen machte.
»In angemessenem Rahmen«, antwortete Jules. »Und ein
Repräsentant der Hall of Fame muss die ganze Zeit dabei sein.«
Bier auf Frauen im Bikini zu kippen war anscheinend »in angemessenem Rahmen«.
Bo rutschte von der Schreibtischkante. »Es gibt also massenhaft Gelegenheit für allerlei Mumpitz.«
Jules schüttelte den Kopf. »Du machst dir zu viele Sorgen. Wenn sie alle reihum dran waren, wird der Pokal weggeschafft, um die Namen drauf einzugravieren, und die Wogen glätten sich wieder.«
Chelsea warf die Zeitung auf den Schreibtisch. »Wie viele Spieler kriegen den Pokal?«
»Alle, die berechtigt sind, ihren Namen drauf eingravieren zu lassen. Grob geschätzt vierundzwanzig«, antwortete Jules. »Ty Savage und Mark Bressler eingeschlossen. Auch wenn keiner von beiden die volle Saison gespielt hat.«
»Mr Bressler kriegt einen Tag mit dem Pokal?« Davon hatte er nichts gesagt. Aber er sprach ja auch nicht viel. Außer, wenn er unverschämt sein wollte.
»Klar. Schließlich war er bis kurz vor den Play-offs der Kapitän. Jeder Spieler, der in einundvierzig Spielen der regulären Saison oder in fünf Play-off-Spielen gespielt hat, ist dazu berechtigt. Bressler hat in weit mehr als
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