Was sich liebt das raecht sich - Roman
sprang vom Sofa und blickte auf ihre abgewetzten weißen Shorts und das gelbe Top. »Ich sehe einfach furchtbar aus …«
»Du hast keine Zeit mehr, um dich jetzt noch umzuziehen«, herrschte Luisa Iris an, während sie bereits die Autoschlüssel von dem kleinen, neben ihrer Wohnungstür stehenden Korbtisch nahm. »Dieser Bohemien-Chic steht dir durchaus gut. Schnapp dir ein paar Flip-Flops, deine Sonnenbrille und beeil dich, ja?«
Iris hegte ernste Zweifel, ob sie in Luisas klapprigem roten Ford Capri tatsächlich ihr Ziel erreichen würde, und während die Freundin einen Zickzackparcours entlang des mit halbnackten Menschen in winzigen Bikinis und eng sitzenden Shorts bevölkerten Strandes fuhr, klammerte sie sich ängstlich an das Armaturenbrett.
»Santa Monica«, brüllte Luisa und zeigte auf das bekannte Pier, wobei sie praktisch auf zwei Reifen um eine Haarnadelkurve schoss. Sie blickte noch einmal auf den Zettel, auf dem die Adresse stand, bog in eine Nebenstraße ab, hielt vor einem elegant wirkenden Studio mit einem diskreten Messingschild neben der Eingangstür und versetzte Iris einen Stoß. »Los, ich hätte uns beide beinahe umgebracht, nur damit du pünktlich bist, also sorg dafür, dass meine Mühe nicht vergebens war. Ich bin in dem Café auf der anderen Straßenseite, okay? Also, querida , lauf!«
Iris schluckte und betrat das Haus. Pia Jordan hatte einen erschreckenden Ruf. Sie galt als die Beste ihrer
Branche, hatte ein geradezu legendäres Temperament und stellte an ihre Klienten die allerhöchsten Ansprüche. Iris überlegte, was zum Teufel sie hier machte, und rieb furchtsam ihre feuchten Hände an der Hose ab, als sie ein riesengroßes Studio betrat, in dem eine statuenhafte Schwarze neben einem Flügel stand.
»Gerade noch rechtzeitig«, herrschte die Frau sie an. Sie trug eine maßgeschneiderte weiße Hose und ein nabelfreies schwarzes Top, in dem ihr straffer Bauch vorteilhaft zur Geltung kam, hatte peppiges, glattes Haar, das wirkte wie mit Öl zurückgekämmt, und sah sie aus kleinen, intelligenten Augen durchdringend an.
»Ich hatte keinen Wagen … meine Freundin hat mich in dieser alten …«
»Das interessiert mich nicht.« Pia schnipste ungeduldig mit den Fingern. »Wir haben zu tun, also fangen wir an. Wärmen Sie sich auf, und dann singen Sie.« Sie drückte Iris ein Notenblatt in die Hand und blickte sie abwartend an.
Mit wild klopfendem Herzen nahm Iris das Blatt, sang ohne Klavierbegleitung eine Reihe perfekter Tonleitern und sah sich anschließend den Zettel an. Es war ein Lied von einer bekannten Soul-Sängerin, etwas, was sie nie zuvor gesungen hatte und von dem sie keine Ahnung hatte, ob es ihrer Stimme entgegenkam. Die Melodie lag außerhalb ihrer natürlichen Bandbreite und war ausnehmend anspruchsvoll, weil sie in rascher Folge von einem Ende der Tonleiter zum anderen sprang.
»W-werden Sie mich auf dem K-Klavier begleiten?«, stammelte sie. Ist das Lied denn nicht viel zu schwierig für mich?, fragte sie sich verzweifelt. Wie viele Oktaven dachte Pia, dass sie singen könnte, Himmel noch einmal?
»Sehe ich so aus, als würde ich Klavier spielen?«, gab Pia kühl zurück und runzelte irritiert die Stirn. »Ich will Ihre Stimme hören. Ich muss wissen, ob Sie die Töne ohne
Hilfe treffen. Durch Klavierbegleitung werden Fehler überdeckt.« Sie stemmte die Hände in die Hüften und unterzog die junge Frau erneut einer eingehenden Musterung.
Hauptsache, sie stotterte nicht auch beim Singen, dachte Pia gnadenlos, denn sonst schickte sie Judd diese lahme Ente umgehend zurück. Aber wenigstens sah sie unglaublich aus. Die weißen Shorts und das sonnengelbe Top brachten ihre geschmeidige Figur vorteilhaft zur Geltung, ihr dichtes blondes Haar war einfach bewundernswert, und beim Anblick des Gesichts hielt Pia beinahe ehrfürchtig den Atem an. Die junge Frau war ungeschminkt und leicht verschwitzt, aber trotzdem wunderschön.
Iris wäre am liebsten panisch aus dem Studio gestürzt, konzentrierte sich jedoch darauf, ihre Atmung zu verlangsamen, und betete, dass von ihrem verflixten Stottern nichts zu hören wäre, wenn sie sang. Dann verdrängte sie entschlossen den Gedanken, dass es in diesem Augenblick um ihre Zukunft ging, schloss die Augen und stellte sich vor, sie wäre daheim in ihrem Schlafzimmer. Mach dir keinen Druck, riet sie sich selbst mit einem stummen Lachen. Es geht nur um deine Stimme und um dieses Lied, du brauchst die beiden nur zusammenzubringen,
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