Was sich liebt, das trennt sich: Roman (German Edition)
nicht ganz gelogen. Peggys Vater war Abteilungsleiter einer kalifornischen Kaufhauskette gewesen und von Stadt zu Stadt, Auftrag zu Auftrag gezogen, wenn ihm danach war. Peggy hatte die letzten beiden Jahre in der Highschool jedenfalls in Nordkalifornien verbracht. Und ihre Eltern waren auf Reisen; vor ein paar Jahren hatte Max seinen Pensionsfonds aufgelöst, um sich den Traum zu erfüllen, mit einem Wohnwagen den Westen zu erkunden. Peggy befürchtete, dass der Lebensstil ihrer Eltern Miss Abigail nicht besonders gefallen würde. Er gefiel Peggy auch nicht, obwohl es nicht der Wohnwagen war, der sie störte - es war die Tatsache, dass die Zukunft der beiden so heikel war, so unsicher.
»Lass uns reingehen.« Miss Abigail ging mit kleinen Schritten und langsam über den Rasen auf das Haus zu.
»Wer passt denn auf den Stand auf?« Peggy überlegte, ob sie anbieten sollte, draußen zu bleiben. Ihre Entscheidung, mit Luke verheiratet zu bleiben, war überstürzt und dumm gewesen. Sie bezweifelte, dass sie diese Farce eine Stunde lang aufrechterhalten konnte, geschweige denn ein Jahr. »Die Kiste ist nicht abgeschlossen. Jeder könnte sich einfach das Geld nehmen.«
»Das hier ist nicht New York, Liebes.«
Von Nahem war die Haustür des Silas Sedgwick House noch beeindruckender als vom Auto aus - ungefähr drei Meter hoch und breiter als normale Türen, mit einem verwitterten Messingklopfer in der Mitte, ungefähr dreißig Zentimeter über Miss Abigails Zuckerwatte-Kopf. Aber sie musste auch dringend gestrichen werden. Ganze Streifen schwarzer Farbe waren abgeblättert, und darunter blitzte das nackte Holz auf wie das Hemd an den Ellbogen von Lukes schäbigem Pullover.
Miss Abigail warf sich mit ihrem ganzen Gewicht gegen die Tür, die sich knarrend öffnete. »Willkommen«, sagte sie und schob Peggy hinein.
»Jetzt sag nicht, du weißt nicht, was du sagen sollst. Du bist Schriftsteller. Oder du behauptest es zumindest.« Nicki fuchtelte mit ihrem Handy vor Luke herum. »Du kennst jede Menge Worte. Wie wäre es mit diesen? ›Nein. Lass mich in Ruhe, Schlampe. Ich will da raus.‹«
Die Couch gegenüber von Nicki war mit Spitzenkissen bedeckt. Luke schob sie zur Seite und setzte sich. »Ich will da nicht raus.« Dieser Plan, den Peggy und er ausgeheckt hatten, war abscheulich und unschicklich und ging ihm total gegen den Strich. Aber es war auch das Beste, was dem Familienvermögen seit einem halben Jahrhundert passiert war - und Luke überhaupt jemals. Er war zuerst schockiert gewesen von Peggys Vorschlag und hatte kurzerhand aufgelegt, aber am Morgen hatte er es sich anders überlegt und sie zurückgerufen. Hatte er nicht sein ganzes Leben lang davon geträumt, irgendwo zu wohnen, wo niemand seine Familiengeschichte seit Generationen kannte? Hatte er sich nicht danach gesehnt, weiter Gedichte zu schreiben, sich vom Sedgwick-Namen zu befreien, den eingefleischten Vorstellungen zu entgehen, wie er sein Leben zu führen hatte, mit wem er befreundet sein durfte, was er tun musste? Jetzt konnte er das alles, und, was noch wichtiger war, er konnte dafür sorgen, dass seine Großtante die medizinische Versorgung bekam, die sie verdiente. »Wir profitieren alle davon«, sagte er Nicki und klang wie einer der Vortragenden auf der Tagung über private Vermögensverwaltung.
Nicki drohte ihm erneut mit dem Handy. »Wie ist ihre Nummer? Ich rufe sie selbst an.«
»Leg das weg«, sagte Luke kalt. Beim dritten oder vierten Mal, als er mit Nicki Schluss gemacht hatte, hier in ihrem Atelier in South Norwalk mit dem unkonventionellen Ausblick auf die New-Haven-Eisenbahnbrücke, hatte sie ihren Kaffee nach ihm geworfen. Er war gegen die hintere Wand gespritzt und hatte die Webarbeit ruiniert, an der Nicki damals arbeitete: ein schalartiges Kleidungsstück, das aus etwas hergestellt war, das wie pinkfarbener Stacheldraht aussah. Luke fand heimlich noch immer, dass er die Welt davor bewahrt hatte.
Nicki klappte das Handy zu, legte es jedoch nicht weg. »Was ist mit mir? Soll ich ein Jahr lang aus deinem Leben fernbleiben?«
»Nicht, wenn du das nicht willst.«
»Du meinst, wenn ich mich heimlich mit dir treffen will, nur unter der Woche und mich in New Nineveh überhaupt nicht blicken lasse.«
»Du bist doch sowieso fast jedes Wochenende auf irgendwelchen Ausstellungen. Und wenn du nicht nach New Nineveh kommst, dann musst du meine Großtante auch nicht sehen.«
Luke machte sich Sorgen um Abby. Sie war ungewöhnlich brav
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