Was sie nicht weiss
achtundzwanzig Jahre alt und Lehrer an einer Grundschule im Stadtteil Daalmeer. Gefunden wurde er von einem Mann, der seinen Hund ausführte. Der wurde befragt, konnte aber nichts sagen, was uns irgendwie weiterhilft. Als Hoogland von seinem abendlichen Hundegang nicht zurückkam, ging seine Freundin Cynthia van Dijk ihn suchen. Sie hat ihn inzwischen identifiziert. Frau van Dijk kann sich nicht vorstellen, weshalb jemand ihren Freund umbringen wollte. Genau das ist aber passiert, und zwar auf ziemlich drastische Art. Einem Menschen den Schädel einschlagen, ist eine Sache, der Umstand aber, dass ihm anschließend der Penis abgeschnitten und in den Mund gesteckt wurde, deutet auf einen Racheakt hin. Wir konzentrieren uns deshalb erst einmal auf das persönliche Umfeld Hooglands.«
Claudien hebt die Hand, und Ramon erteilt ihr mit einem Nicken das Wort.
»Meiner Ansicht nach kann Hoogland auch ein Zufallsopfer sein«, sagt sie. »Beispielsweise einer frustrierten Frau, die ständig betrogen wurde und dadurch zur Männerhasserin geworden ist.«
Dass Claudien vor Kurzem geschieden wurde, ist im Kollegenkreis bekannt, und als ihr Nebenmann Nick Zonneveld demonstrativ ein Stück von ihr wegrückt, wird verhalten gelacht.
Ramon wedelt ungeduldig mit der Hand, sodass die Lacher schnell verstummen.
»Das ist auch eine Möglichkeit, und wir beziehen sie bei den Ermittlungen mit ein«, sagt er. »Zunächst aber durchleuchten wir Verwandte, Freunde und Bekannte des Opfers, und zwar Männer wie Frauen. Dann also los, Leute, heute ist Nachtarbeit angesagt. Die gute Nachricht ist, dass uns weder Kaffee noch Kekse ausgehen werden.«
Ein paar Kollegen grinsen. Wenn eine Nachtschicht fällig ist, quellen am nächsten Morgen die Papierkörbe über von Plastikbechern und Keksverpackungen.
Langsam leert sich der Besprechungsraum. Erst stehen alle am Kaffeeautomaten Schlange, danach verteilen sie sich auf die Büros.
Lois lässt sich vor einem Computer am Fenster nieder und blickt kurz auf die Fassade des Bürohauses gegenüber und die zu dieser späten Stunde völlig ausgestorbene Straße. Sie arbeitet nur selten hier, sondern meistens auf dem Revier am Mallegatsplein nahe der Innenstadt. Dort geht es lebhafter und auch lockerer zu, man muss nicht vor fast jeder Tür seine Magnetkarte durch ein Lesegerät ziehen wie hier.
Wenn allerdings die Ermittlungen zu einem neuen Fall anlaufen, herrscht auch in der James Wattstraat Hochbetrieb. Sämtliche Arbeitsplätze sind dann belegt, überall wird diskutiert, telefoniert und auf die Tastaturen eingehämmert.
Die nächsten Stunden sind sie damit beschäftigt, sich ein erstes Bild von Hooglands Leben und Umfeld zu machen. IT -Spezialisten recherchieren seine sämtlichen Online-Aktivitäten und hören die Nachrichten auf seinem Handy ab.
Um halb zwei wird eine Liste mit den Ergebnissen verteilt.
Mehr als genug Arbeit fürs ganze Wochenende, denkt Lois beim Überfliegen. Seufzend lehnt sie sich zurück und zieht das Gummiband aus ihrem Haar. Am Schreibtisch gegenüber steht Fred gerade auf. Er reckt und streckt sich, sodass die strapazierten Halswirbel knacken.
»Und? Irgendwelche spektakulären Erkenntnisse?«, fragt er.
»Eher nicht. Ein paar Verabredungen mit Freunden, hin und wieder eine SMS an seine Lebensgefährtin, dazu Konferenzen in der Schule. Er scheint kein sonderlich aufregendes Leben geführt zu haben.«
»Trotzdem hat jemand ihn so gehasst, dass er ihm den Penis abgeschnitten und in den Mund gesteckt hat.«
»Tja …« Sie verschränkt die Arme hinter dem Kopf. »Mir sind als Erstes die Eltern seiner Schüler eingefallen. Er hat eine zweite Klasse unterrichtet, also ziemlich junge Schüler. Du hast doch Enkel, Fred … wie alt sind Zweitklässler normalerweise?«
»Sieben oder acht«, antwortet Fred. »Aber wenn Hoogland pädophile Neigungen hatte, wüssten wir das inzwischen. Die Kollegen von der Sitte haben keinerlei Hinweise dazu in den Akten.«
»Vielleicht ist erst kürzlich was vorgefallen, und das betroffene Kind hat seinen Eltern davon erzählt. Ich kann mir gut vorstellen, dass man in solch einem Fall komplett ausrastet.«
»Damit befassen wir uns später«, sagt Fred. »Ich finde, für heute Nacht haben wir genug getan. Lass deinen Wagen stehen, ich fahr dich rasch nach Hause.«
7
Sie hatte zusehen müssen, egal, wie lange es dauerte, bis jemand die Leiche entdeckte. Langsam war der Adrenalinspiegel gesunken, die Hände zitterten nicht mehr so stark,
Weitere Kostenlose Bücher