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Was sie nicht weiss

Was sie nicht weiss

Titel: Was sie nicht weiss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone van Der Vlugt
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und das Herz schlug wieder im gewohnten Rhythmus. Zu Hause wäre sie wohl kaum zur Ruhe gekommen, sondern hätte ständig überlegt, ob sie ihn schon gefunden hätten.
    Dass der Täter noch in der Nähe sein könnte, schien den oberschlauen Polizisten gar nicht in den Sinn zu kommen. Sie waren viel zu beschäftigt, die Spurensucher, die Forensiker und wen sie sonst noch zusammengetrommelt hatten.
    Als der Hund die Leiche fand, hatte sie vor lauter Span nung die Luft angehalten und zugeschaut, wie er den Körper beschnüffelte, und dann war er auch noch auf sie zugekommen. Sie wäre fast davongelaufen, aber zum Glück tauchte der Besitzer auf, pfiff den Hund zurück und leinte ihn an. Die Gefahr war vorüber.
    Nachdem die Polizei da war und sich trotz der späten Stunde auch noch ein paar Schaulustige einfanden, war sie auf einem Umweg nach Hause gegangen. In der Dunkelheit und im Nebel fiel ihr blutbespritzter Mantel keinem auf.
    Jetzt sind ihre Kleider in der Waschmaschine, sie hat ausgiebig geduscht und die Fingernägel mit der Bürste geschrubbt. Nichts erinnert mehr an das, was vorgefallen ist – bis auf die Fotos. Fotografieren ist für sie Arbeit und Hobby zugleich. Es ist ihr Leben. Für die Arbeit benutzt sie eine professionelle Nikon, die sie jedoch nicht immer mitschleppen kann. Für zwischendurch, für die überraschenden Momente, hat sie eine handliche Olympus Pen. Mit ihr hat sie auch den toten David Hoogland fotografiert. Das war zwar nicht vernünftig, aber sie konnte es einfach nicht lassen.
    Inzwischen ist sie wieder ganz ruhig. Sie wird gut schlafen heute Nacht, auch wenn sie weiß, dass die Ruhelosigkeit zurückkehren wird. Der Anblick der Leiche war wie eine innere Befreiung und wird ihr helfen, die nächste Zeit zu überstehen. Gewalt reinigt, verbannt Wut und Hass in eine Art Vakuum, verschafft Ruhe. Ja, sie fühlt sich jetzt gut, besser als seit Jahren. Was sie getan hat, war notwendig – sie hatte keine Wahl.
    Vielleicht packt sie ihr Leben wieder an, das hofft sie zu mindest, aber im Grunde ihres Herzens weiß sie, dass es noch nicht ausgestanden ist. Die Unruhe wird wiederkommen, Wut und Hass schüren und sie zur nächsten Tat treiben.

8
    »Ich soll dich von Onno grüßen«, sagt Tessa. »Ich glaube, er hat es sehr bedauert, dass du wegmusstest. Er hat mich regelrecht nach dir ausgefragt.«
    »Tatsächlich?« Lois’ Stimme klingt wenig begeistert. Sie steht im Badezimmer und versucht, mit einer Hand die Trainingshose auszuziehen, während sie mit der anderen das Telefon ans Ohr hält.
    »Er will dich anrufen. Ich hab ihm deine Nummer gegeben, das ist doch okay, oder? Ich finde ihn riesig nett. Seine Familie besitzt ein Landgut in der Nähe von Haarlem, aber darüber redet er so gut wie nie. Damit will ich sagen, er ist kein Angebertyp, schließlich müssen ja auch Adlige heutzutage für ihren Lebensunterhalt arbeiten und …«
    »Wie war das Fest noch?«, unterbricht Lois das Geplauder ihrer Schwester.
    »Du hast echt was verpasst! Es gab einen Champagnerturm, danach kam ein Chor, der Guido ein Ständchen ge sungen hat, und zu seiner Geburtszeit, also um zehn nach elf, begann das Feuerwerk. Chinesisches Feuerwerk, unglaublich toll! Alle meinten, es sei der Wahnsinn!«
    »Klingt wirklich nach Wahnsinn.« Mit halbem Ohr hört Lois zu, wie Tessa von den Lobeshymnen der Eingeladenen erzählt, dass sie bis in die Puppen gefeiert hätten und am Ende mit den letzten Gästen in den Pool im Untergeschoss gesprungen seien und sogar dann noch von den Kellnern ihre Gläser gereicht bekamen.
    »Wenn es so spät beziehungsweise früh geworden ist, war um rufst du dann schon an? Warst du überhaupt im Bett?«
    »Aber ja! Ich hab ein paar Stunden geschlafen, und jetzt bin ich hellwach. Wahrscheinlich breche ich heute Nachmittag zusammen und muss mich hinlegen.«
    »Dann lass es ruhig angehen. Bestimmt hast du Leute, die dir beim Aufräumen helfen«, sagt Lois. »Ich muss jetzt auflegen, Tessa, sonst bleibt mir keine Zeit mehr zum Frühstücken.«
    Weil es auch bei ihr sehr spät geworden ist, hat sie nur wenig und außerdem schlecht geschlafen. Die Gedanken an Richard Veenstra und vor allem an sein Kind ließen ihr keine Ruhe. In wirren Träumen sah sie vor sich, wie der Vater den Jungen mit in die Tiefe riss, und sie wurde von ihrem eigenen Schrei wach.
    So konnte sie immerhin noch eine halbe Stunde laufen. Aber aus der halben wurde eine ganze Stunde, sodass ihr jetzt kaum noch Zeit bleibt.
    »Du bist

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