Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was Sie schon immer über 6 wissen wollten

Was Sie schon immer über 6 wissen wollten

Titel: Was Sie schon immer über 6 wissen wollten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holm Friebe
Vom Netzwerk:
20. Jahrhundert hinein erhalten. Kerbhölzer dienten vor allem dazu, Kredite aufzuzeichnen. Auf zwei zueinander passenden Holzstäben oder einem längs gespaltenen Holzscheit wurden verkaufte Waren oder die Höhe eines Kredits mit der entsprechenden Anzahl Kerben markiert. Gläubiger und Schuldner erhielten jeweils eine Hälfte, sodass nachträgliche Manipulationen ausgeschlossen werden konnten. Bei Begleichung der Schuld wurdendie Kerben herausgeschnitten. Wer also „etwas auf dem Kerbholz hat“, der hat seine Schulden noch nicht bezahlt.

    Kerbhölzer wurden nicht nur von Bäckern, Wirten oder Bauern als hölzerne Schuldscheine verwendet. Auch das britische Finanzministerium verwaltete bis 1826 die Steuerschulden der Bürger des Empire mit Kerbhölzern, tallies genannt. Darüber machte sich der Schriftsteller Charles Dickens lustig: „Seit ein paar hundert Jahren hat sich in der Schatzkanzlei eine wilde Methode der Buchführung eingebürgert. Man führt dort Buch wie Robinson Crusoe auf seiner kleinen Insel, indem man Holzstöcke mit Kerben versieht. Eine Unzahl von Buchhaltern und Schreibern wurde geboren und starb, und die amtliche Routine hielt an den Kerbhölzern fest, als seien sie die Grundfeste der Verfassung.“ Als man sich endlich vom System der tally sticks verabschiedet hatte und die Unmengen an Hölzern überflüssig geworden waren, sollten sie verbrannt werden. Das Feuer geriet jedoch außer Kontrolle und zerstörte am 16. Oktober 1834 beide Parlamentsgebäude.
    Das Zählen mit Kerben beruht auf der Idee, die Elemente einer Menge zu zählen, indem man sie jeweils den Elementen einer Vergleichsmenge zuordnet. Das funktioniert natürlich nicht nur mit Kerben, sondern auch mit anderen Gegenständen. So kommt der Historiker Georges Ifrah in seiner Universalgeschichte der Zahlen zu der Einschätzung: „Kieselsteine haben als Hilfsmittel zum Zählen für die Zivilisation viel geleistet.“ Sie ermöglichten zum Beispiel Bauern und Hirten, ihre Tierbestände zu erfassen: Indem man etwa für jedes Schaf, das das Gatter passiert, einen Kieselstein beiseitelegt, kann man die Größe einer Schafherde feststellen. Treibt man die Herde wieder von der Weide herunter, kehrt man das Verfahren um und nimmt für jedes Schaf einen Kiesel vom Haufen. Bleiben zwei Kiesel übrig, weiß man, dass noch zwei Schafe fehlen. Diese Methode des Zählens mit Steinen, die gezählte Objekte repräsentieren, war in vielen frühen Kulturen verbreitet. Als calculi – kleine Steine – bezeichneten die Römer die Zähl- und Rechensteine, von ihnen leiten sich die Wörter „Kalkül“ und „kalkulieren“ ab. Statt Kieseln wurden häufig auch Kugeln aus ungebranntem Ton verwendet: Sie dienten etwa den Sumerern als Instrument der Buchhaltung, und zwar zu einer Zeit, als sie die Schrift noch nicht kannten. Ihre unterschiedliche Größe und Form entsprach jeweils einem bestimmten Zahlenwert, zum Beispielden Einern, Zehnern und Hundertern. So konnten mit ihrer Hilfe auch größere Mengen einfach und übersichtlich erfasst werden.
    An anderer Stelle fand man ähnlich einfache Lösungen, ausgehend von dem, was gerade zur Hand war. Die Inka beispielsweise entwickelten eine hoch komplexe Knotenschrift: Die sogenannten quipu bestanden aus einer Reihe verschiedenfarbiger Schnüre, in die in regelmäßigen Abständen Knoten geschlagen wurden. „Die Farben der Schnüre, Anzahl und Lage der Knoten, die Zahl der zu Gruppen zusammengefassten Schnüre und die Abstände zwischen ihnen gaben eindeutig Zahlen wieder“, schreibt Ifrah. Die quipu dienten dazu, Tributabgaben, statistische Erhebungen oder religiöse Daten festzuhalten. In Bolivien, Peru und Ecuador wurden noch bis ins 19. Jahrhundert die Viehbestände mit solchen Knotenschnüren erfasst. Auch in Europa war man mit der Knotentechnik vertraut. Mit Kordeln verknoteten Müller ihre Säcke auf eine spezielle Weise, an der die Kunden sofort die Art und Menge des darin enthaltenen Mehls ablesen konnten.
Bodycount
    Neben Kerbhölzern, Kieselsteinen und Knoten war das erste und wichtigste Zählinstrument des Menschen jedoch ein viertes K: sein eigener Körper. Zwar konnten Zählungen mit den Körperteilen nicht gespeichert werden, doch entwickelten sich aus dem Abzählen der Körperteile komplexe Zählsysteme, die lange Zeit weit verbreitet waren. „Jeder, Händler wie Bankiers, Gebildete und Analphabeten, wusste, wie man Summen bis zu einer Million mit den Fingern zusammenzählte“,

Weitere Kostenlose Bücher