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Was Sie schon immer über 6 wissen wollten

Was Sie schon immer über 6 wissen wollten

Titel: Was Sie schon immer über 6 wissen wollten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holm Friebe
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Hilfsgröße hinzu, da 60 einzelne Zahlzeichen kaum im Kopf zu behalten sind. Vor etwa 4.000 Jahren nutzten dann die Babylonier das Sexagesimalsystem vor allem für astronomische und geometrische Berechnungen. In diesen Feldern ist es bis heute wirksam geblieben: Unsere Zeiteinteilung in 60 Sekunden und 60 Minuten hat hier ebenso ihren Ursprung wie die 360 Grad, mit denen wir Kreise und Winkel berechnen.

    Der Mathematiker Marcus du Sautoy vertritt in seinem Buch The Number Mysteries sogar die Meinung, ein System auf Basis der 60 sei mathematisch wesentlich besser handhabbar als das Dezimalsystem: „Es ist eine Zahl mit sehr vielen Teilern, was sie zum Rechnen überaus praktisch macht.“ Zur Veranschaulichung lassen sich sechzig Kiesel auf fünf unterschiedliche Arten zum Rechteck auslegen, bei der 10 ist es nur eine einzige. Der Nachteil wäre unbestreitbar, dass man 60 unterschiedliche Zahlensymbole dafür brauchte und lernen müsste, weshalb das System im Alltag ziemlich untauglich wäre.
Die Geschichte der 0
    Das Beharrungsvermögen anderer Zahlensysteme und vor allem älterer Zähl- und Denkweisen ist einer der Gründe dafür, warum das heutige Dezimalsystem erst spät nach Europa kam und von Gelehrten, Finanzpolitikern und Kaufleuten praktisch gegen den Widerstand der Bevölkerung durchgesetzt werden musste. Die Ursprünge unserer heutigen Ziffern liegen in Indien. Die uns vertrauten Zahlen kamen im Mittelalter über die Vermittlung arabischer Gelehrter nach Europa und verdrängten in einem langwierigen und konfliktreichen Prozess die sich hartnäckig haltenden römischen Ziffern. Deshalb sprechen wir heute von den indisch-arabischen Ziffern. Ihre eigentliche Überlegenheit liegt aber nicht im Dezimalsystem begründet, sondern inihrem Charakter als Stellenwertsystem, in dem der zahlenmäßige Wert einer Ziffer allein davon abhängt, an welcher Stelle sie steht.
    Das Stellenwert- oder Positionssystem reduziert die Menge der benötigten unterschiedlichen Zahlzeichen und ist damit unbegrenzt ausbaubar, ohne dass man dauernd neue Zeichen erfinden muss. Bei der Jahreszahl 1888 hat die vorletzte 8 den Wert 80, eben weil sie an vorletzter Stelle steht. Die Römer dagegen verwendeten ein Additionalsystem und würden sie als MDCCCLXXXVIII schreiben. Sie hatten jeweils eigene Symbole für die Einer (I), Fünfer (V), Zehner (X), Hunderter (C) und Tausender (M) sowie für 50 (L) und 500 (D), deren feste Werte sich unabhängig von ihrer Stellung addieren (auch wenn durch das erst seit dem Mittelalter weiter verbreitete Subtraktionsprinzip – also die 4 als „IV“ zu schreiben und nicht als „IIII“ – die Reihenfolge eine gewisse Rolle spielt).
    Wichtiger noch: Das Stellenwertsystem vereinfacht das Rechnen enorm. Mit den römischen Ziffern konnte man praktisch gar nicht rechnen, man hielt mit ihnen nur Ergebnisse fest, die man flink mit dem Rechenbrett oder den Fingern ausgerechnet hatte. Schon die Babylonier benutzten ein Stellenwertsystem und verwendeten ein eigenes Zeichen, wenn eine Stelle leer blieb. Eine echte 0, mit der auch als Zahl gerechnet wurde, war dieses Leerzeichen jedoch nicht. Erst die 0 als eigenständige und gleichwertige Zahl ermöglicht eine funktionsfähige Arithmetik und macht das Stellenwertsystem so elegant und effizient. Die 0 wurde zum wichtigsten Motor des mathematischen Fortschritts und damit zum Turbo der abendländischen Aufklärung. Dennoch – oder gerade deswegen – galt sie lange Zeit als dunkle, ja, gefährliche Macht. Denn wie konnte etwas, das nichts ist, existieren? Und darüber hinaus die geheimnisvolle Fähigkeit besitzen, den Zahlen ihren Wert zu verleihen?
    Deshalb waren die Widerstände gegen die 0 anfangs sehr groß und die Phalanx an Bedenkenträgern breit. Zudem fiel es den Menschen in Mitteleuropa äußerst schwer, sich an die geschmeidige Leichtigkeit im Umgang mit Zahlen zu gewöhnen. In Florenz war es noch um 1300 verboten, Ziffern in Kontenbücher einzutragen, die Summen mussten als Worte ausgeschrieben werden. Noch zwei Jahrhunderte später verbot der Bürgermeister von Frankfurt seinen Beamten das Rechnen mit Ziffern. Robert Kaplan beschreibt anschaulich, wie groß die Reserviertheit gegenüber den neuartigen Zeichen war und wieschleppend ihr Vormarsch verlief: „Die arabischen Zahlen drangen hier und da entlang einer sehr ungleichmäßigen Frontlinie vor. Der typische Buchhalter eines Kaufmanns rechnete mit dem Rechenbrett, übertrug die Ergebnisse dann aber

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