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Was Sie schon immer über 6 wissen wollten

Was Sie schon immer über 6 wissen wollten

Titel: Was Sie schon immer über 6 wissen wollten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holm Friebe
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Wörtern zu berechnen und mit anderen Wörtern mit gleichem Zahlenwert in Beziehung zu setzen, um ihre geheime Bedeutung zu entschlüsseln,macht zwar nur einen geringen Teil der Kabbala aus, hat aber ihr populäres Bild stark geprägt.
    So will in Darren Aronofskys Film π ( Pi ) eine Gruppe von kabbalistischen Rabbinern dem genialen Mathematiker Max Cohen eine mysteriöse 216-stellige Ziffernfolge entlocken, hinter der sie den wahren Namen Gottes vermutet. Auch Cohen ist von der Zahl besessen, auf die er durch Zufall gestoßen war; scheint sie doch eine Art Weltformel zu sein, mit der sich Muster in der Natur oder die Kursbewegungen an den Aktienmärkten vorhersagen lassen. Doch sein Freund und Lehrer Sol Robeson warnt ihn: „Wenn du die 216 finden willst, kannst du sie überall finden. 216 Schritte von deiner Straßenecke zu deiner Haustür. 216 Sekunden, die du im Aufzug verbringst. Wird etwas zur fixen Idee, filtert man alles andere heraus und sieht überall nur noch das. 320, 450, 22 ... was auch immer. Du hast dir die 216 ausgesucht und wirst sie überall finden. Nur, Max ... sobald du wissenschaftliche Exaktheit aufgibst, bist du kein Mathematiker mehr, sondern ein Numerologe.“
    Die Interpretation von Worten und Texten durch Zahlenwerte, sei es eine Thora-Stelle oder der eigene Name, heißt Gematrie. Sie eröffnet endlose Kombinationsmöglichkeiten von Buchstaben, Zahlen und Bedeutungen; die Assoziationen und Deutungen können frei fließen, weil sich fast immer Korrespondenzen zwischen Wörtern über gleiche Zahlenwerte herstellen lassen. Der Altphilologe Franz Dornseiff kam in seiner klassischen Untersuchung über Das Alphabet in Mystik und Magie zu dem Schluss: „Wer sich die Mühe des Ausrechnens nimmt, wird sehen, es stimmt lächerlich oft.“ Und falls nicht, wird gerne auch mal die Schreibweise abgeändert.
    Die heute populären Formen der Numerologie verwenden unterschiedliche Systeme, um den Buchstaben Zahlen zuzuordnen, die nur noch das Grundprinzip mit der kabbalistischen Methode teilen. Aus den Zahlenwerten der Buchstaben von Vornamen und Nachnamen wird durch Quersummenbildung eine einstellige „Namenszahl“ destilliert – es sei denn, man landet bei den Schnapszahlen 11, 22 oder 33, die gelten nämlich als „Meisterzahlen“ mit besonderer spiritueller Bedeutung. Diesen Namenszahlen werden dann, ähnlich den Tierkreiszeichen in der Astrologie, bestimmte Eigenschaftsprofile zugewiesen. Auf der Website des bekannten Astrologen Winfried Noé finden sich Kurzdeutungen. So verfügt ein Mensch mit der Namenszahl 6 angeblich über „Schönheitsempfinden, Harmoniebedürfnis, Verantwortungsbewusstsein, Kameradschaft und Gutherzigkeit, aber auch mangelnde Zivilcourage, Genusssüchtigkeit, mangelndes Organisationstalent und Selbstgefälligkeit.“ Und über die 33 steht dort: „Nur sehr wenige Menschen haben die Meisterzahl 33. Sie zeigt außerordentlich hohe spirituelle Fähigkeiten an.“ Eltern sollten also bei der Namenswahl gut überlegen und vorher rechnen, damit aus dem Nachwuchs auch garantiert ein Wunderkind wird. Zusätzlich wird aus dem Geburtsdatum auf die gleiche Weise eine „Charakterzahl“ gebildet, der dann auch wieder irgendwelche Persönlichkeitsmerkmale entsprechen sollen. Die Numerologie lockt mit dem Versprechen „Mit den Zahlen sich selbst erkennen“ – so der Untertitel eines aktuellen Numerologie-Handbuchs – und bedient mit ihren Zahlenspielereien den großen Markt esoterischer Sinnsuche.
    Die zweite Großbaustelle der Zahlenesoteriker ist der Weltuntergang. Vorstellungen vom Ende der Zeiten gibt es in vielen Kulturen. Kein Wunder, dass oft versucht wurde, dessen genauen Zeitpunkt zu berechnen. Besonders eifrig darin war man im Judentum und im Christentum; Robert Kaplan schreibt zum christlichen Milleniarismus in seiner Geschichte der Null : „Je entfernter der letzte Tag war, desto hoffnungsvoller konnte man sich mit ihm befassen. Natürlich sollte er nicht so entfernt sein, um zu entmutigen, oder so nahe, um zu enttäuschen, aber er sollte in einer gemäßigten Zeitzone liegen, wenigstens eine Generation entfernt, aber nicht weiter als drei oder vier.“ Insofern war der eingangs erwähnte Harold Camping wohl einfach zu ungeduldig und muss nun damit leben, dass er mit seiner Untergangsprophezeiung Schiffbruch erlitten hat.
    Doch die nächste große Weltuntergangswelle rollt bereits mit aller Macht auf uns zu. Die nächste Endzeitparty ist auf den 21. Dezember 2012

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