Was Sie schon immer über 6 wissen wollten
prangen konnte. Für amerikanische College-Studenten verheißt die 101 hingegen gemischte Gefühle zwischen Lernfreude und Prüfungsangst, da die Universitäten ihre einführenden Grundlagenkurse mit dieser Nummer versehen – etwa Number Psychology 101 – , eine Praxis, die im angloamerikanischen Raum so verbreitet ist, dass sie zur stehenden Redewendung geworden ist, wo es um die Vermittlung von basics geht.
Ein neuer fröhlicher Zahlenglaube hat sich mit dem Aufkommen des Computers entwickelt, der kaum von spekulativer Numerologie und wabernder Zahlenesoterik affiziert ist, sondern sich vorwiegend aus mathematischen Spielereien, Insider-Witzen und popkulturellen Referenzen speist. Nerds frönen ihrer ganz eigenen Zahlenmystik, und die Subkulturen des Internet spülen bislang gänzlich unbekannte Symboliken an die Oberfläche.
So wurde die 23 zur modernen Verschwörungszahl schlechthin. Erstaunlicherweise ist sie die erste Zahl, die in der umfassenden vergleichenden Untersuchung zur kulturellen und religiösen Symbolik der Zahlen von Endres und Schimmel keinen Eintrag hat. Vielleicht hat gerade der Umstand, dass sie eine Zahl ohne kulturhistorischeSignifikanz ist, dazu geführt, dass sich um die 23 in der jüngeren Vergangenheit eine eigene Verschwörungsmythologie entwickeln konnte.
Verantwortlich dafür ist der acid head und Bestsellerautor Robert Anton Wilson, der Ende der 1960er gemeinsam mit Robert Shea die Trilogie Illuminatus! schrieb, die rasch zur Kultlektüre der Counterculture avancierte und später unter Hackern viele Fans fand. Für die satirische Saga um den aus der Aufklärungszeit stammenden Geheimbund der Illuminaten und dessen angebliche Weltverschwörungen erfanden die beiden eine eigene Numerologie, in deren Zentrum die 23 und die 5, also die Quersumme aus 23, als Zahlen des Bösen stehen. Inspiriert wurde Wilson dabei von William S. Burroughs, einem anderen großen Drogenschriftsteller, der die Kurzgeschichte 23 Skiddoo schrieb. Der Titel ist ein amerikanischer Slang-Ausdruck für „hau ab, solange es noch geht“. Wilson sammelte jede Menge persönliche, historische und kulturelle Referenzen auf die 23, die er in die Trilogie einarbeitete sowie in einem Artikel mit dem Titel „The 23 Phenomenon“ präsentierte, den er 1977 im Magazin Fortean Times veröffentlichte – selbstredend in der 23. Ausgabe.
Damit trat Wilson eine Welle los, die bis heute anhält, wie man etwa auf der Website die23er.de nachlesen kann. Wer Zahlen sucht, der findet sie, und so ist es kein Wunder, dass Verschwörungsfans die 23 überall dingfest machen, angefangen bei den 23 Messerstichen, mit denen Cäsar ermordet wurde, über die 23 Atombombentests, die die USA auf dem Bikini-Atoll durchführten, bis zu den Anschlägen von 9/11, die sich numerologisch auch prima mit der 23 in Verbindung bringen lassen, denn schließlich gilt: 9 + 11 + 2 + 0 + 0 + 1 = 23. Dass man dafür die 2001 in ihre Bestandteile zerlegen muss und die 11 nicht – egal! Die 23 ist so etwas wie die große, böse Schwester der 13. Die wiederum findet man neben der Illuminaten-Pyramide mit dem allsehenden Auge gleich elfmal auf der amerikanischen 1-Dollar-Note. Das dürfte allerdings weniger geheimen Machenschaften als vielmehr der Tatsache geschuldet sein, dass die USA bei ihrer Gründung aus 13 Bundesstaaten bestanden.
Tragisches Opfer von Wilsons Paranoia-Parodie wurde der deutsche Hacker Karl Koch, der all das viel zu ernst nahm und sich immer tiefer in vermeintliche Verschwörungszusammenhänge verstrickte. Überall sah er die ominöse 23. Bei seinen Hacks ließ er sich mit dem KGB ein und kam am 23.5.1989 im Alter von 23 Jahren unter ungeklärtenUmständen zu Tode. Der Zeitgeist der 1980er Jahre und die Kultur der damaligen Hackerszene wurden später von Hans-Christian Schmid in seiner Verfilmung der Ereignisse, 23 – Nichts ist so wie es scheint , atmosphärisch dicht in Szene gesetzt.
Von der dunklen Episode um Karl Koch abgesehen, gehen Geeks aber zumeist entspannt mit Zahlen und Ziffern um. Mit der sogenannten Leetspeak hat die Netzkultur ihren eigenen typografischen Soziolekt entwickelt. Buchstaben werden dabei durch Ziffern mit ähnlicher Gestalt ersetzt. So wird aus „Leet“ (was sich vom englischen „elite“ herleitet) die Zeichenfolge „1337“. Leetspeak ist eine typografische Spielerei, so wie die auf dem von Computern verwendeten Standardzeichensatz basierende ASCII-Art oder die inzwischen ubiquitären Emoticons.
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