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Was Sie schon immer über 6 wissen wollten

Was Sie schon immer über 6 wissen wollten

Titel: Was Sie schon immer über 6 wissen wollten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holm Friebe
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Werken und Reputation des Künstlers oder der Künstlerin in die Preisgestaltung ein. Damit die Preiskurve glaubhaft die Geschichte vom unaufhaltsamen Aufstieg eines Genies erzählt, sei ein Anstieg von zehn bis zwanzig Prozent von Ausstellung zu Ausstellung das absolute Minimum. „Skripte geben dem Preismechanismus Struktur, Konsistenz, Stabilität und damit Vorhersagbarkeit“, schreibt Velthuis. „Sie vermeiden und bekämpfen Verwirrung unter potenziellen Käufern über den ökonomischen Wert zeitgenössischer Kunst.“
    Die Preise, die man in Galerien antrifft, bilden deshalb ein ureigenes Genre. Judy Lybke, Gründer von EIGEN+ART mit Standorten in Leipzig und Berlin, insgesamt 18 Mitarbeitern und Künstlern wie Neo Rauch oder Martin Weischer im Portfolio, hat als in der DDR gelernter Maschinenbauer eine Affinität zu Zahlen – und zum Geld. Er gilt als begnadeter Verkäufer – das Label Leipziger Schule, ein genialer Marketingstreich, geht auf seine Kappe – und sieht sich selbst zuerst als Händler. Ein Galerist, der Kunstwerke behält, hat seinen Beruf verfehlt, findet er.
    Was ist also ein guter Preis für ein Kunstwerk, Herr Lybke? Generell gilt: „Solange man mehr Leute hat, die bereit sind, einen Preis für ein Kunstwerk zu bezahlen, als Kunstwerke, ist man auf der richtigen Seite.“ Weil die Preise sich nur in eine Richtung bewegen können, sollte man klugerweise niedrig anfangen und das Preisniveau bedächtig nach oben steigern: „Jeder Künstler fängt unten an, bei 500 Euro, vielleicht auch bei 200 Euro.“ Gebrochene Preise, wie man sie aus dem Supermarkt kennt, haben in der Galerie nichts verloren, „es sei denn, sie sind selbst konzeptioneller Bestandteil einer Arbeit“, dann könne man sich auch einen Preis von 99 Euro vorstellen. Andererseits verbieten sich auch allzu glatte Beträge: „Ob man an ein Werk 1.000 oder 1.200 ranschreibt, das macht schon vom reinen Klang her einen großen Unterschied.“ Der typische Kunstpreis unterhalb von 10.000 Euro endet also auf glatten Hundertern, nicht auf glatten Tausendern.
    Wenn es eine zahlenpsychologische Faustregel gibt, die Lybke aus seiner durch langjährige Kunstverkäufer-Praxis geschulten Intuition heraus anbieten kann, dann ist es die: „Der Preis muss nachgedacht aussehen.“ Davon abgesehen offeriert Lybke ein Set an idiosynkratischen Regeln, die gleichwohl unmittelbar einleuchten. Psychologischwichtig für die Beurteilung des Preises sei weniger die Zahl, die vorne steht, sondern die dahinter: „Man agiert im unteren Preissegment mit der Zahl an zweiter Stelle, um die davor zu verschleiern. 1.200 klingt wie 200. 1.800 klingt wie ein ordentlicher 800er-Preis. Von daher klingt 2.200 eigentlich nach weniger als 1.900. 2.800 signalisiert mir, dass ich volle 800 Euro ausgebe. Da stehe ich als Käufer auch meinen Mann. 2.100 dagegen ist fast ein bisschen mickrig, genauso wie 1.100 und 3.100. 3.600, also 36 ist da schon besser, sechs mal sechs, das klingt vertraut, nach Wohlfühlpreis. Bei 31 weiß kein Mensch, woher die Zahl kommt.“
    Neben der Anmutung von viel oder wenig transportieren die aufgerufenen Zahlen an zweiter Stelle aber auch unterschwellige Botschaften über das Kunstwerk, den Künstler, den Galeristen und den Käufer. Die 5 etwa „baut eine Brücke“, das heißt: Ein Preis von 1.500 oder 3.500 eignet sich für einen Künstler, der mit seinem Werk gerade am Scheideweg steht. „Die 8 nimmt einen ernst“, wohingegen die 1 eher vom Unwillen des Galeristen zeuge. Preise wie 3.100 oder 6.100 zeigen: „Der will diesen Preis gar nicht und will die Arbeit auch eigentlich nicht verkaufen. Der hasst es überhaupt, das Zeug zu verkaufen.“ Besonders angetan haben es Lybke dagegen die 9 und die 4: „Wer einen Preis von 1.900 oder 3.900 aufruft, der hält sich und dich als Käufer für intellektuell.“ Deshalb eigne sich die 9 auch besonders für schwierige konzeptionelle Arbeiten: „Das klingt gebrochen, hat sich noch nicht so eingefunden. Da kann man selbst noch mit kreativ sein.“ Ein ähnliches Schicksal als anspruchsvoller Schwellenwert nah an der Intellektualität teilt die 4, allerdings, wie es scheint, nur in bestimmten Segmenten. Zum Mitschreiben: „1.400 geht, 2.400 geht, 3.400 geht nicht. 4.400 ist gar nicht möglich. 5.400 geht nicht. 6.400 ginge. 7.400 geht nicht. 8.400 geht nicht. 9.400 geht nicht. 10.400 ginge vielleicht.“ Interessanterweise kommen die 3 und die 7, die überall sonst eine zentrale Rolle

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