Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was Sie schon immer über 6 wissen wollten

Was Sie schon immer über 6 wissen wollten

Titel: Was Sie schon immer über 6 wissen wollten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holm Friebe
Vom Netzwerk:
genau in die Klarsichtfolienumhüllung einer Zigarettenschachtel? Warum passen DVD-Hüllen genau in die kleinen Fächer des Billy-Regals? Die Begründung: unsere schöne bunte Warenwelt ist viel weniger vielfältig und artenreich, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Denn hinter den meisten dieser vermeintlichen Zufällen verbirgt sich die DIN-Norm 476, die Papierformate regelt und 1922 vom Deutschen Institut für Normung festgesetzt wurde.
    Auslöser für die Bestrebungen zur Vereinheitlichung war die Papierknappheit nach dem Ersten Weltkrieg: Man hoffte, durch die Standardisierung der Formate den Beschnitt zu vermeiden. Ausgearbeitet hat sie der Berliner Ingenieur Walter Porstmann – und dabei unter der Hand einen der wichtigsten weltweiten Standards gesetzt: das DIN-A4-Blatt. Wenn wir an ein Blatt Papier denken, stellen wir uns ein A4-Blatt vor, Billionen und Aberbillionen Bögen sind weltweit davon im Umlauf. Wie das Dezimalsystem hat es sich als internationaler Standard, kodifiziert in der ISO-Norm 216, fast weltweit durchgesetzt, nur in den USA, Kanada und Mexiko hält man noch an den eigenen traditionellen Formaten fest.
    Mit 210 mal 297 Millimetern ist das A4-Blatt genauso breit wie das wesentlich ältere Folio-Format, von dem sich der Foliant ableitet, aber gut drei Zentimeter kürzer. Diese Kürzung wurde fällig, um die Forderung zu erfüllen, dass alle Formate der Reihe durch Verdopplung und Halbierung verlustfrei ineinander überführbar sein sollten. Porstmann konnte sich bei der Entwicklung auf die Vorarbeiten seines Mentors,des Chemie-Nobelpreisträgers Wilhelm Ostwald, stützen. Der hatte 1911 das „Weltformat“ entwickelt, das ebenfalls der Idee der „Restlosigkeit“ folgte und Teil des größeren Projekts war, die „energetische Buchhaltung in der Welt“ in Ordnung zu bringen; anfangen wollte er damit bei den Büchern. Auf der Schweizer Landesausstellung von 1914 kam das Format zum Einsatz, seine Verbreitung sollte aber auf die Schweiz beschränkt bleiben, weil es nicht in die damals gängigen Aktenordner passte.
    Ähnliche Bestrebungen zu nahtlos ineinander überführbaren Formaten hatte es schon zur Zeit der Französischen Revolution gegeben. Im Zuge der erfolgreichen Umstellung auf das metrische System und erfasst vom revolutionären Elan, war man darauf aus, jeden Lebensbereich durchzurationalisieren – was in diesem Fall aber versandete. Der Erste, der diese Überlegungen zum Thema Papierformat zu Papier brachte, war allerdings Georg Christoph Lichtenberg. 1786 formulierte er in einem Brief an den Philosophen und Ökonomen Johann Beckmann die Forderung nach der „geometrischen Ähnlichkeit“ für Papierformate: „Die kleine Seite des Rechtecks muss sich nämlich zu der großen verhalten wie 1:√2 oder wie die Seite des Quadrats zu seiner Diagonalen. Die Form hat etwas angenehmes und vorzügliches vor der gewöhnlichen.“
    Allerdings kann Lichtenberg nicht als eigentlicher Erfinder des Seitenverhältnisses gelten: 1:√2. Inspiriert dazu hat ihn das vorgefundene Papier, auf dem der Brief entstand und das genau diese Eigenschaften aufwies. „Sind den Papier=Formen machern (sic!) wohl Regeln vorgeschrieben, oder ist diese Form durch Tradition nur ausgebreitet worden? Und wo stammt diese Form, die wohl nicht durch Zufall entstanden ist, her?“, fragt Lichtenberg in seinem Brief weiter, ohne jedoch eine Antwort zu erhalten. Die Praxis des Papiermachens war anscheinend immer schon schlauer als die Gelehrten, die erst mit der Nase darauf gestoßen werden mussten.
    Heute kennt jeder das Lichtenberg-Verhältnis aus dem Copyshop. Beim Kopierer ist √2 (1,41), also 141 Prozent, der Zoomfaktor für das Vergrößern von A5 auf A4 oder A4 auf A3. Beim Verkleinern sind es entsprechend 71 Prozent. Würden Kopierer die Fläche und nicht die Kantenlänge anzeigen, würde auf dem Display „200%“ und „50%“ stehen – was uns etliche Fehlversuche und Unsummen an Lehrgeld erspart hätte. Dennoch haben wir uns inzwischen irgendwie an diekrummen Zahlen gewöhnt. Der Druckerfabrikant Brother machte den Zoomfaktor 141 Prozent kürzlich gar zur Werbebotschaft für seine Multifunktionsdrucker, die auch A3-Formate verarbeiten können. Auf der Website brother141.de werden die mentalen Vorteile des größeren Formats gepriesen: „141% ist eine Einstellung. Es geht um Ambition, Antrieb, Energie und Ausdauer.“ Auch wenn wir uns durch die flächendeckende Verbreitung von A3-Druckern noch ein

Weitere Kostenlose Bücher