Was soll denn aus ihr werden?
ich will dir gewiß helfen und sei nur nicht so voller Angst«, bat sie. »So hat es der Vater gewollt, daß ich mit dir in deine Heimat gehe? Hat er denn die Verwandten gekannt? Auch diese Base, die dir einen solchen Brief schreibt?«
»Ja, ja, Kind, er hat sie wohl gekannt«, antwortete mit beruhigterem Ausdruck die Mutter. »Der alte Nonno und die Nonna waren ihm recht lieb. Mit dem Nonno konnte er manchmal stundenlang im Gespräch auf der steinernen Bank am Hause sitzen und er sagte manchmal, diese Gespräche mit dem Alten seien ihm mehr wert als viele Bücher. Mit der Base Marie Lene gab sich der Vater nicht viel ab. Sie meint es gut, aber sie hat so ihre eigene Art, an die du nun nicht gewöhnt bist. Dein Vater war ja so anders, aber er war auch anders als die meisten Menschen auf der Welt sind.«
»Mutter, meinst du, für immer müßten wir hier fortgehen, ganz für immer, ohne wiederzukommen?« fragte Dori nach einer Weile.
»Das kann ich nicht sagen, Dori, ich weiß ja gar nicht, wie alles kommen wird und was dir und mir bevorsteht. Es kann ja auch ganz gut sein, es gefällt dir in meiner Heimat und unter den Verwandten so gut, daß du selbst am liebsten dableiben willst«, meinte die Mutter.
»Und unser Haus hier, müssen wir das abgeben? Wenn dann andere Leute hineinwollten?« fragte Dori, einen angstvollen Blick ringsum werfend.
»Gewiß müssen wir das Haus dem Besitzer abgeben und ihm überlassen, was er damit tun will; es ist ja nicht unser«, sagte Dorothea.
»O Mutter, wenn wir aber doch wieder zurückkommen,und hier auf der Terrasse und in unsern Stuben wären überall fremde Leute, und wir könnten nicht mehr hinein, und wir sind doch hier daheim« – jetzt übermannte ihr Leid Dori so sehr, daß sie den Kopf auf ihre Arme legte und laut auffchluchzte.
»O Dori, ich dachte es wohl, ich dachte es wohl«, sagte die Mutter in völlig verzagendem Tone.
Dori kannte den Ton. Wie oft hatte er ihr in den ersten Zeiten nach des Vaters Tode so ins Herz geschnitten, daß sie alles daran gegeben hätte, um den Ton wieder in die fröhlich klingende Stimme der Mutter zu verwandeln, die Dori in ihren frohen Kindertagen so gut gekannt und so sehr geliebt hatte. Jetzt hatte die Mutter bei ihr Hilfe gesucht und sie ließ sie so verzagen. Dori zwang ihre Tränen zurück. Sie schaute zur Mutter auf. »Nein, Mutter, schau nicht so traurig drein! Wir wollen gehen! Wir wollen, sobald es nur sein kann, gehn und gleich alles zusammenpacken, daß man an nichts anderes mehr denken kann, nicht, Mutter? Ist es dir so recht?«
Dorothea hatte mit dem größten Erstaunen auf Dori geblickt, während sie so sprach, und noch jetzt schaute sie schweigend auf ihr Kind, so, als könne sie nicht glauben, was sie eben gehört hatte. »Ist es dir Ernst, Dori?« fragte sie zagend. »Kannst du wirklich auf einmal so fest entschlossen sein, zu gehn? Ist das möglich?«
»Ja, ja, Mutter, es ist mir völlig Ernst, jetzt gehn wir! Du wirst gewiß noch einmal ganz jung und froh, wenn du deine alte Heimat wiedersiehst«, sagte Dori, immer lebendiger sich selbst ermunternd. »Wir wollen nur gleich daran gehen und alles bereit machen. Weißt du denn auch den Weg, Mutter, wo geht es zuerst hin?«
Dorothea sah jetzt schon wie verjüngt aus. Was seit langer Zeit wie ein unübersteigbarer Berg vor ihr gestanden und sie manche Nacht um den Schlaf gebracht hatte, war plötzlich vor ihr verschwunden. Der große Entschluß war gefaßt, Dori gebärdete sich nicht wie eine Verzweifelte, wie es ihr immer vor Augen gestanden hatte,wenn das Wort ausgesprochen sein würde. Bei dem Gedanken, einmal wieder ihre alte Heimat zu sehen, stieg nun doch etwas wie Freude in Dorotheas Herzen auf. »O den Weg kenn' ich ja gut, Dori«, sagte sie. »Erst geht's nach Como hinüber und von da nach Chiavenna. Dort kommen wir an den Bergpaß von Maloja, und wenn wir oben sind, so sind wir im Ober-Engadin angekommen. Dann geht es das ganze Tal hinab, durch so viele bekannte Dörfer, da bin ich schon überall wie daheim, und so kommen wir nach Schuls, das ist die Heimat.«
Der Ton, mit welchem Dorothea sprach, war so anders, als er eben noch gewesen war, daß Dori die Mutter um den Hals nahm und freudig ausrief: »Siehst du, Mutter, es fängt schon an, jetzt wirst du immer froher.«
Dorothea war ganz mit ihrem Kinde einverstanden, daß die Vorbereitungen zur Reise rasch unternommen und ausgeführt werden sollten.
Vor allem mußte nun der Entschluß der alten Maja
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