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Was soll denn aus ihr werden?

Was soll denn aus ihr werden?

Titel: Was soll denn aus ihr werden? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
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kommen mußte, wie sie sich selbst sagte. Dori hatte nur gar nie etwas davon hören wollen, daß man fortgehen sollte. Sie schaute auch jetzt den Brief von der Seite an und sagte: »Ich will lieber nichts davon wissen.«
    Aber die Mutter sagte, es helfe ihr nichts, sie müssewissen, was in dem Briefe stehe, denn nun müsse ein Entschluß gefaßt werden.
    »So will ich dir vorlesen, was da steht«, sagte Dori, indem sie den Brief ergriff und zu lesen begann:
    »Liebe Dorothea!
    »Zuerst habe ich Dir ein Ereignis mitzuteilen, das uns alle ins Leid gebracht hat. Der alte Nonno ist gestorben. Er hatte das neunzigste Jahr erlebt und war immer frisch im Geist, bis zuletzt. Der Nonna geht es noch gut, sie wird nun auch bald achtzig Jahr, aber das würde keiner sagen, der sie so kräftig und aufrecht sieht wie immer. Es ist erstaunenswert, wie viele Junge die beiden Alten schon überlebt haben und noch dazu die eigenen Söhne. Sie sagen, es komme davon, daß die Jungen in die Fremde gehen; die Alten sind eben daheim in der gesunden Luft geblieben. Der Nonno hatte ein so großes Grabgeleit, wie man seit vielen Jahren nicht gesehen hatte, aus allen Dörfern vom Unter-Engadin waren Leute gekommen. Er war auch ein weit und breit geachteter Mann, der es verdiente.
    Obgleich Du bis jetzt, wie wir gesehen haben, es für besser erachtet hast, in der Fremde zu bleiben, als in die Verwandtschaft zurückzukehren, so wirst Du Dich doch nun entschließen müssen, das letztere zu tun; schwer braucht es Dir nicht zu machen, Du kommst unter rechte Leute zurück. Ich will Dir den Grund sagen, warum Du nun wirst kommen müssen, wenn Dich auch das Herz nicht zu Deinen Verwandten zurückkehren heißt: Es muß nun geteilt werden, und da sind, wie Du weißt, drei Häuser. Im obern bei der Brücke, wo bis jetzt der Nonno und die Nonna allein wohnten, und wo viel Platz ist, zieht nun der Matthias mit der Kathrine und den zwei Buben ein, sie haben alle miteinander gut Platz da. Ich ziehe mit meinem Mann und den drei Buben ins untere Haus ein, wo die andern bis jetzt waren. Dann ist oben noch das kleine Haus an der Halde, das solltest Du übernehmen;es ist ein gutes Haus. Zwei Zimmer sind neu aufgerüstet, da kannst Du im Sommer Fremde hineinnehmen, wenn Du willst; es ist einträglich. Dein Erbteil kann man Dir nicht anders herausgeben, es steckt alles in den Häusern und im Land. Was man Dir bis jetzt jedes Jahr geschickt hat, kann man nicht nur nicht fortsetzen, es muß nun alles auseinandergelesen und festgesetzt werden. Deine Tochter wird nun auch in den Jahren sein, da sie sollte durch einen Unterricht in die Gemeinde der Christen aufgenommen werden. So denken wir! Wie Du über so etwas denkst, wissen wir nicht, die Nonna sagt, Du seiest im Rechten unterrichtet worden, wenn Du es in der Fremde nicht vergessen habest.
    Alle Verwandten grüßen Dich, wie auch Deine Base
    Marie Lene Quant.«
    Dori legte den Brief hin, sie sagte kein Wort. Dorothea schaute ängstlich nach dem schweigenden Kinde. Dori hatte offenbar mit aufregenden Gedanken zu kämpfen. Ihre Augen funkelten hin und her wie glühende Kohlen und in den Händen zerrieb sie eines der größten Rebenblätter zu völligem Staub. Sie sagte immer noch nichts.
    »Dori«, fing jetzt die Mutter zaghaft an, »ich habe mich immer gefürchtet vor diesem Augenblick, den ich schon lang kommen sah. Ach, seit dein Vater nicht mehr da ist, wird es mir so schwer, etwas zu entscheiden; er wußte immer gleich, was zu tun war, und entschied und es war das Rechte. Ach, wenn du wüßtest, wie schwer es mir jetzt ist, Dori. Ich meine, wir müssen gehen. Es ist ja wahr und hat mir schon oft im stillen nachgesucht, daß du nun in einen Religionsunterricht eintreten und konfirmiert werden solltest. Und was sie von dem Erbteil schreibt, ist ja auch zu beachten, so wie es jetzt ist, geht es nicht weiter, ich habe eben aufgebraucht, was noch da war, ich wußte es nicht anders zu machen und das wußte ich ja schon, daß ich doch daheim etwas habe, das ich erwarten konnte. Es wird mir auch noch weniger schwer, wenn ich daran denke, daß dein Vater auch der Meinung war, du müssestmeine Heimat kennen lernen. Aber ich kann es doch nicht entscheiden, du mußt mir helfen, Dori, ich komme sonst nicht durch. Nicht wahr, du willst mir helfen, und nicht zu schmerzlich jammern, sonst habe ich keine Kraft, um einen Entschluß zu fassen.« Die Mutter warf ihrem Kinde einen flehenden Blick zu.
    Dori ergriff ihre Hand: »Mutter,

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