Was soll denn aus ihr werden?
habe, so werde sie auch mit dem Detto fertig, der sonst ein störrischer Bursche sei. Da stehe ihr aber der Giacomo immer bei und beide miteinander werden dann dem Jungen schon Meister. Was die kleine Marietta an Stricken und Nähen in den vier Jahren bei Dori erlernt hatte, war für Maja ein völliges Wunder, denn sie selbst war nie so weit gekommen. Hatte sie ein Loch zu stopfen, so zog sie es zusammen und kam dadurch in manche Verlegenheit, wenn mit einemmal ein Kittelchen oder Höschen so eng war, daß sie kein Arm und kein Bein mehr durchbekam; da wußte sie keinen Rat. Marietta aber bedeckte die Löcher in wunderbarer Weise, so daß alles wurde wie vorher, und man den Schaden kaum bemerken konnte. Stricken könne das Kind so schnell, wie sie in ihrem Leben nichts Gleiches gesehen habe, versicherte Maja; es sei geradezu, als ob Dori die unerhörte Behendigkeit, welche die kleine Marietta früher in den Füßen gehabt, so daß man nur immer auf dem Weg sein mußte, um sie einzufangen, ihr in die Hände hinaufgedrängt hätte. Das sei nun gar eine unvergleichliche Wohltat für das Kind und alle, die mit ihm zusammenhangen. »Es könnte kein Mensch es glauben, der es nicht erfahren hat, wie ich es erfahren habe«, schloß die alte Maja, »daß ein Kind imstande ist, eine ganze Haushaltung vom Elend zu erretten, wie Dori das getan hat; denn bis heute war Dori doch ein Kind, freilich ein Kind wie wenige und nicht vergebens am Tag eines wundertätigen Heiligen auf die Welt gekommen.«
Als Maja mit ihrem Trüppchen das Haus verlassen hatte, setzte Dori sich zu ihrer Mutter hin. Es war dem Mädchen nicht entgangen, daß die Mutter während des langen Gespräches mit Maja immer wieder mit besondersliebevollen Blicken nach ihm hinübergeschaut hatte.
»Nicht wahr, Mutter, heut', zu meinem großen Fest, wie es die alte Maja nennt, machst du mir auch eine Freude«, bat Dori. »Heute sagst du mir, daß du doch noch ein wenig froh sein kannst mit mir, wenn es dir schon immer weh tut, daß du den guten Vater verlieren mußtest.«
»Ach, Dori, du bist ja meines Lebens einzige Freude, Trost und Hoffnung«, sagte die Mutter mit mehr Wärme und Lebhaftigkeit, als sie an den Tag zu legen gewohnt war. »Und nicht nur für mich bist du das, auch anderen machst du noch das Leben leicht. O, wie hättest du deines Vaters Herz erfreut damit!«
»Meinst du die alte Maja und die Kinder, Mutter?« fragte Dori mit glückstrahlenden Augen. »Ja, wir sind alle miteinander so froh! Aber sieh, Mutter, manchmal muß ich denken, ich lerne so viel mit den Kindern, als sie mit mir lernen, ich habe ihnen gewiß soviel zu danken wie sie mir. Du weißt nicht, was ich alles lernen und suchen und ausdenken muß, um immer mit ihnen vorwärts zu gehen und ihnen alles zu erklären. Besonders der Giacomo ist so gescheit und gelehrig, daß ich einen rechten Ernst anwenden muß, damit ich ihm doch immer voraus bleibe und ihm auch klar beibringen kann, was er wissen muß. Ich werde auch manchmal so unsicher in vielen Sachen, es ist nur gut, daß der Vater mir so gute Bücher hinterlassen hat. Aber vieles kann ich doch nicht herausfinden, was ich wissen sollte. Und heute gibt mir noch etwas anderes viel zu denken, Mutter: Was meint denn die alte Maja mit ihrem großen Fest, an dem ich nun eine Jungfrau werde? Ich merke kein bißchen davon und bin heute gerade so wie gestern. Sollte ich denn nun auf einmal kein Kind mehr sein? Und wie soll nun plötzlich ein neues Leben in mir entstehen, als wäre ich eine andere?«
»Sei du nur ein Kind«, sagte die Mutter sanftmütig,»das hat dein Vater gewünscht, daß du das bleiben mögest, so lang es sein kann, es kommt von selbst, daß es anders wird. Ein neues Leben kann auch bald an dich herankommen, das dich in manchen Dingen weiter bringen wird. Dein Vater hatte schon gesagt, es werde recht sein, wenn das einmal ausgeführt werde. Sieh, da ist wieder ein Brief von meinen Verwandten gekommen; sie wünschen, daß wir uns nun auf die Reise machen.«
Schon mehrmals waren Briefe an Dorothea aus ihrer Heimat gekommen, bald von der einen, bald von der andern Base, worin sie jedesmal aufgefordert worden war, nun wieder zu den Verwandten in die Heimat zurückzukehren, und nicht allein mit dem Kinde im fremden Land zu bleiben. Immer noch hatte Dorothea sich nicht entschließen können, den Ort zu verlassen, wo sie die glücklichste Zeit ihres Lebens zugebracht hatte, und darum immer wieder hinausgeschoben, was doch einmal
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