Was soll denn aus ihr werden?
Weh über die Trennung empfinden mußte, daß er gar nicht von seiner Tochter sprechen konnte. Eben war Dori wieder bei einer ihrer lebhaften Schilderungen angekommen. Sie erzählte Herrn von Aschen, wie sie die wilden Rosen bei der Ruine von Steinsberg geholt hatte, und wie ihr dabei plötzlich die Rosen der Heimat vor die Augen gekommen seien, und wie sie damals die allerschönsten davon in ihr Körbchen gepackt und sie nach Pallanza hinuntergetragen hatte. Dori hielt plötzlich inne. Auch Herr von Aschen schwieg. Jetzt kniete Dori nieder, ergriff seine Hände und küßte und liebkoste sie: »Ach Herr von Aschen«, sagte sie zärtlich, »wenn doch nur auch an mir irgend etwas wäre, das Ihnen auch nur wie ein Stückchen von einem lieben Kinde erscheinen könnte. O, was wollte ich tun, wenn ich das erreichen könnte.«
»Mein liebes Kind«, sagte der alte Herr, sie freundlich streichelnd, »das hast du ja schon lang erreicht. Ich will dich auch du nennen, daß du es besser fühlest; nicht nur ein Stückchen von einem solchen, nein, ein liebes Kind bist du mir geworden, ohne das mir die Tage so dunkel und schwer würden hier, daß ich nicht daran denken darf. Aber du kommst täglich als ein Sonnenstrahl in dies Haus und machst es mir hell und warm.«
»Gott Lob und Dank! Dann bin ich doch jetzt keinunnützes Geschöpf, wenn ich es auch später einmal werden muß«, sagte Dori in Dank und Freude.
»Was sprichst du, Kind?« fragte verwundert der Kranke.
»O, Herr von Aschen, Sie sind so gut wie ein Vater zu mir, Ihnen darf ich alles sagen und Ihre Worte sind mir ein solcher Trost. Alle meine Verwandten sagen mir, daß ich ein unnützes Geschöpf werde, weil ich nicht tun kann, was sie meinen, und mit einem Mann durch das ganze Leben gehen, der mir gar nicht lieb ist, und mit dem ich nichts teilen kann von allem, was mir am Herzen liegt. Und sie sagen, später stehe ich einmal ganz allein in der Welt als ein unnützes Geschöpf. Da bin ich einmal erbittert gegen sie, daß sie mir so etwas sagen dürfen, und einmal denk' ich, etwas wird doch daran sein, ich bin nirgends recht zu gebrauchen. Ich bin nicht, wie sie sind, und gehöre nicht zu ihnen; und zu andern, mit denen ich gern leben möchte, gehöre ich auch wieder nicht, weil ich so ungebildet bin und so unwissend, und zuletzt muß ich immer fühlen, daß sie doch recht haben und daß ich ein unnützes Geschöpf bin, das nirgends hingehört.«
Herr von Aschen hatte ruhig zugehört, wartete auch jetzt noch eine Weile, bis Doris Aufregung sich wieder gelegt hatte, dann sagte er in herzlicher Weise: »Weil es so steht, mein liebes Kind, so will ich nun auch etwas sagen, was ich dir sonst vielleicht nicht ausgesprochen hätte. Ich weiß nicht, was an deiner geistigen Ausbildung mangeln sollte. Was du als Mangel empfindest, das kannst du dir vorweg aneignen und tust es. Was es auch sei, worüber ich mit dir spreche, du kannst mir gleich folgen und verstehst mich. Alles, was du hörst und liest, fällt auf einen frischen, empfänglichen Boden, wird gleich verarbeitet und wird dein Eigentum. Wie du mir vorliest, ist für mich ein Genuß, wie er mir noch durch keinen Vorleser geworden ist. Ich empfinde völlig, wie du jedes Wort durchlebst, das du mir liest, deshalb fällt es auch gleich mit dem vollen Sinn in mein Ohr; es gehtauch kein Pünktchen verloren und keines bleibt unklar, das ist eine wahre Wohltat, die du mir erweisest. Eine andere Art von Vorlesen, so wie ich sie kannte, könnte ich nicht mehr ertragen, ich wäre zu müde dazu. Aber noch größere Wohltat tust du an mir mit deiner weichen, geschickten Hand, die mir alles zurecht macht, ich weiß nicht wie, aber immer so, daß mir nichts mehr hart vorkommt, wo ich mich hinsetze oder lege, daß mich nichts mehr schmerzt, daß ich nichts mehr entbehre, daß meine Stube mir wie eine Heimat geworden ist. Aber noch tiefer hinein kannst du wohltun mit deinem liebevollen Herzen, deiner warmen Teilnahme an anderer Leid und Weh, wie ich es täglich von dir erfahre und mich daran erquicke, als am einzigen, das mich noch erquicken kann. Wie solltest du ein unnützes Geschöpf werden können, wenn du dich mit deinem frohen Wesen, deiner wohltuenden Hand, deinem warmen Herzen solchen nahen willst, die danach sich sehnen, wie ich es tat? Denke dir, wie viele Alte, Elende, Verlassene ihre Tage trost- und hilflos verbringen müssen. Du kannst Trost und Hilfe bringen, wo du hintrittst, und du willst es, wie könntest du denn
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