Was soll denn aus ihr werden?
Vater sie das Lied singen gelehrt, welches sie dem Fräulein aus dem kleinen, ihr geschenkten Buch hatte vorlesen müssen.
Herr von Aschen hatte gewünscht, daß sie es ihm vorsinge.Seitdem hatte er Dori oft gebeten, ihm etwas zu singen, was es war, alle ihre Lieder hörte er gern, ihre Stimme tönte wie die der Vöglein im Frühling so lieblich und wohltuend in sein Herz hinein, sagte er.
Eben hatte Dori das kleine Licht für die Nacht bereit gemacht, Flasche und Tassen und Becher und was sie während der Nacht zu brauchen gedachte, zusammengestellt und setzte sich nun in ihren großen Lehnstuhl zurecht. Alles war so leise ausgeführt worden, daß keiner ihre Gegenwart geahnt hätte, der nicht davon wußte.
Der Kranke hatte die Augen schon seit einiger Zeit geschlossen, darum nahm Dori sich noch besonders in acht, daß keine ihrer Bewegungen den vielleicht leise Schlummernden störe.
Jetzt waren ihre weit offenen Augen mit einem liebevoll forschenden Ausdruck auf das blasse Antlitz des Kranken gerichtet. Auch er hatte die Augen geöffnet.
»Schlafen Sie denn nicht, Herr von Aschen? Sie haben doch keine Schmerzen?« fragte Don, sich teilnehmend über ihn beugend.
»Nein, nein, ich wartete, bis du hier neben mir sitzest und mir noch ein Lied singest«, sagte der Kranke.
Das wollte Dori mit Freuden tun, er sollte nur sagen, was er zu hören wünsche.
»Sing das Lied, das du in meines Kindes Buch gefunden hast«, wünschte er.
»O ich weiß, Sie meinen das erste, das ihr selbst so lieb war; nachher habe ich noch viele daraus gelernt, aber Sie meinen wohl das.« Und Don begann zu singen und fuhr fort, da Herr von Aschen zustimmend nickte:
»Nimm meine Hand,
Wird mich die deine leiten.
Geht's auch durch Nacht
Und tiefe Dunkelheiten,
An deiner Hand
Geht's in ein selig Land.«
Als Dori so weit gesungen hatte, sagte Herr von Aschen: »Und du sagst, daß mein Kind so von diesem Liede sprach, als sei sie fest überzeugt von dem, was diese Worte sagen, so als hätte sie schon ein Erfahren davon im Herzen, sagtest du nicht so?«
»Ja, ja, so war es«, bestätigte Dori eifrig. »O und hätten Sie nur ihre Augen gesehen, wie sie mir sagte, das Lied sage sie sich so gern vor, es war, als schauten sie schon in das selige Land hinein.«
»Wie kam das Kind nur zu diesem festen Glauben? Sie mußte ihren Weg so allein machen, an mir hatte sie keinen Führer, ich war ihr kein rechter Vater.« Der Kranke wandte sich schmerzlich stöhnend ab.
Das ging Dori sehr zu Herzen: »Aber Herr von Aschen, das Fräulein hatte den allerliebevollsten Vater, den man nur haben kann, das weiß ich von ihr selbst«, versicherte Dori, »wenn Sie ihr nicht selber den Weg gezeigt haben, der sie so glücklich machte in allem Leid, so hat sie ihn vielleicht gerade mit um so größerem Verlangen nach Trost und Hilfe gesucht, weil sie ihre schweren Gedanken allein durchkämpfen mußte und nicht mit Ihnen von ihrer Krankheit sprechen durfte. So hatten Sie ja auch einen Teil daran, daß sie glücklich wurde durch den gefundenen Trost.«
Herr von Aschen hatte sich wieder zu Dori gewandt. Mit einem traurigen Lächeln sagte er: »Du meinst es gut mit mir. Wie du kann ich freilich nicht denken. Ich kannte ja den Weg auch einmal, ich hatte eine fromme Mutter. Der Segen dieser Großmutter lag auf meinem Kinde. Sie hat es in ihre Arme genommen, als das Kind so früh schon seine Mutter verlor. Leider konnte sie es nur wenige Jahre pflegen, dann ging auch sie von uns. Ja, wer die Wege seiner Kindheit noch einmal betreten könnte, die alten guten Wege«, setzte er wie für sich hinzu.
»Kann man nicht zurückgehen und sie wieder aussuchen?« fragte Dori, einen halb scheuen, halb bittenden Blick auf den Kranken werfend.
»Wie einen Weg wieder finden, den man seit denTagen seiner Kindheit nicht mehr gekannt hat, er ist mir wie verschüttet«, sagte leise der Kranke.
»Aber wo man an einem verschütteten Weg steht, darf man doch um Hilfe rufen«, sagte Dori, zuversichtlicher gemacht dadurch, daß der Kranke zu sprechen fortfuhr.
»Um Hilfe rufen, wenn man dem, der helfen sollte, ein Leben lang den Rücken gekehrt hat, um seinen eigenen Weg zu gehen, ihm nicht einmal für ein schönes reiches Leben gedankt hat! Nein, nein, wie sollte ich Hilfe verdienen?« Der Kranke wandte sich ab.
Aber Dori sah wohl, daß es nicht war, um zu schlafen; er stützte seinen Kopf auf den Arm und blieb so, schweigend und in seine Gedanken versunken, der Wand zugekehrt.
»Ich
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