Was soll denn aus ihr werden?
seit sie sich inCavandone gesehen, und wie sie denn nach Schuls versetzt worden sei, wo sie doch jetzt wohne, wie ihm der Gärtner Melchior berichtet hatte. Wie viel hatte Dori zu erzählen. Sie hatte ja beim Tode ihres Vaters anzufangen. Ihre Schilderungen der Tage von Cavandone, dann des Auszuges, dann der Eindrücke in der neuen Heimat von Land und Leuten, Feld und Blumen waren so lebendig, und ihr Zuhörer folgte ihr mit solchem Vergnügen, daß zur größten Überraschung der beiden plötzlich die Nacht einbrach.
Dori sprang auf: »O, Herr von Aschen, wenn ich Ihnen nur nicht geschadet habe«, sagte sie reuevoll, »ich habe gar nicht gemerkt, daß es so spät wurde.«
»Ich auch nicht«, erwiderte er lächelnd. »Es war seit Wochen der erste Nachmittag, der mir nicht lang wurde, das dank' ich Ihnen.«
»Darf ich früh am Nachmittag morgen wiederkommen?« fragte Dori, sich zum Weggehen anschickend. »Wir haben frühes Mittagessen, Sie vielleicht nicht?«
»Mir werden Sie nie zu früh kommen, liebes Kind«, entgegnete Herr von Aschen, »aber Ihre Mutter wird auch etwas von Ihnen wollen, wir müssen teilen.« – –
»Dich kann man nie erraten, Dori«, rief Dorothea der Heimkehrenden entgegen, als diese mit leuchtenden Augen und dem Ausdruck ungewöhnlicher Freude auf dem Gesicht daherkam. »Ich stehe da und erwarte mit Angst, welchen Eindruck der Kranke auf dich gemacht hat, und du siehst aus, wie wenn du vom größten Freudenanlaß zurückkämest.«
»O, Mutter, das ist auch der größte Freudenanlaß, den ich hätte finden können«, rief Don aus, die Mutter mit sich ins Haus ziehend, um ihr zu erzählen, was sie erlebt hatte. Jetzt war es Dorothea, der die Tränen des Dankes und der Freude die Augen füllten, als sie hörte, wer der Kranke sei und die Erinnerung an jene Stunde vor ihr aufstieg, da sie neben ihrem kranken Manne saß,der mit brennender Sehnsucht nach seiner Heimat verlangte; da sie wieder das Lächeln der Freude auf dem Antlitz leuchten sah und seinen Blicken folgte, wie sie zwischen dem Fieberschlummer durch auf den Meereswellen und den von Möwen umflatterten Felsen im Wasser so still befriedigt hafteten.
»O, wie freu' ich mich, Dori, daß du etwas für den guten Herrn tun kannst«, sagte Dorothea jetzt, »ist er sehr leidend?«
Davon wußte Dori nun eigentlich gar nichts zu sagen.
Vor Freude über das Wiederfinden hatte sie ganz vergessen, daß sie ja als Krankenwärterin gekommen war. Das nächste Mal wollte sie aber alles gut machen, versprach sie der Mutter.
Jeden Tag wanderte Dori nun nach der Villa hinauf und blieb bei ihrem Kranken, bis die Nacht einbrach. Sagte Herr von Aschen dann wieder in seiner freundlichen Weise, wie er so oft tat: »Wie die Zeit doch verschieden vergeht. Mir kommt es vor, als haben die Nachmittage kaum noch die Hälfte der Stunden, die sie sonst hatten«, dann kehrte Dori mit einer Freude im Herzen nach Hause zurück, wie sie solche nie gekannt hatte. So konnte sie dem guten Herrn wirklich ein wenig wohltun, daß ihm die Stunden so schnell vergingen. Wie hätte sie so etwas sich je denken können! Aber Herr von Aschen sagte es ja selbst, es mußte doch so sein. Ihr Gang zur Villa hinauf wurde Dori täglich lieber. Erst hatte sie dem alten Herrn etwas vorzulesen, es wurde ihm eine Menge von Schriften und Büchern zugeschickt. Aber er konnte das Vorlesen nicht lang ertragen, es ermüdete ihn. Dann wünschte er, daß Dori ihm erzähle von allen ihren Kindererinnerungen und dem schönen Lande ihrer Kindheit, das sie immer wieder in so glühenden Farben schilderte, daß Herr von Aschen seine besondere Freude daran hatte. Auch kannte er ja alle die Plätze und Wege und freute sich der eigenen Erinnerungen an viele der geschilderten Orte. Auch von Doris Vater hörte er gern erzählen, wieer sein Kind unterrichtete, und wie die beiden auf den sonnigen Höhen über dem blauen See viele Stunden lang saßen; wie der Vater malte und Dori las, und dann wieder beide sangen zusammen.
Diese Schilderungen ermüdeten Herrn von Aschen nie, Und Dori war überglücklich, wenn er sie immer wieder aufforderte, von dem Leben in Cavandone und den Kindertagen zu erzählen, öfter schon hatte Dori auch von dem Fräulein sprechen wollen, das einen Eindruck auf sie gemacht, den sie nie vergessen hatte. Aber Herr von Aschen war immer schnell auf ein anderes Gespräch übergegangen, Dori fühlte wohl, wie er auswich. Es schmerzte sie tief, daß der gute Vater immer noch ein solches
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