Was soll denn aus ihr werden?
Sache nichts mehr zu hören.« Nun hatte Dori der Mutter auch noch zu erzählen,was Melchior gewollt und was sie ausgemacht hatten. Dorothea war ganz einverstanden damit, daß Dori den kranken Herrn besuche und alles tue, um ihm im fremden Lande die langen Leidenstage erträglicher zu machen. Als Dori am folgenden Nachmittag, auf der Höhe von Vulpera angelangt, vom Waldhaus zur Villa hinüber wanderte, konnte sie sich einmal wieder des Weges freuen, der ihr lieb war. Wie anders war ihr heute zumut, als da sie das letzte Mal hier hinauf und weiter gelaufen war, mit so viel quälenden Gedanken im Herzen. Heute war sie so froh, daß sie einen lauten Gesang hätte anstimmen mögen. Aber nein, sie kam ja dem Hause des Kranken immer näher, singen wollte sie nicht. Jetzt trat sie in den kleinen Garten ein. Die Haustür stand offen. Frau Anne kam eben die Treppe herunter und zeigte Dori, an welcher Tür droben sie zu klopfen habe, der Herr erwarte sie, setzte die Frau hinzu, Melchior habe ihm Bericht gebracht, daß sie komme. Dori stieg die Treppe hinauf und nach einem freundlichen Rufe, hereinzukommen, trat sie in das Zimmer ein.
Ein alter Herr mit schneeweißem Haar saß in einem Lehnstuhl am Fenster und schaute mit einem väterlich freundlichen Blick der Eintretenden entgegen.
»O, Herr von Aschen!« schrie Dori in heller Freude auf und stürzte zu dem alten Herrn hin. Sie ergriff seine beiden Hände und küßte sie in überwallender Freude, und in der Erinnerung an jene Tage und an alles, was mit Herrn von Aschen zusammenhing, stürzten ihr vor großer Erregung die Tränen aus den Augen. Mit dem größten Erstaunen blickte der alte Herr auf das hochgewachsene Mädchen mit dem dichten braunen Haar und den warm leuchtenden Augen – er suchte offenbar in seiner Erinnerung nach derselben Erscheinung. »Ich kenne Sie wirklich nicht, mein liebes Kind«, sagte er dann in der freundlichsten Weise. »Wo sollten wir uns denn gesehen haben?«
»Dort auf dem Weg von Cavandone gegen den Monterosso hinauf, bei der Mauer unter den Kastanienbäumen, dort saßen wir, das Fräulein und ich, und sie schenkte mir ein kleines Buch und ließ mich lesen, und dann kamen Sie. O, mir ist alles so frisch im Andenken, als sei es gestern gewesen. Wissen Sie es nun wieder, Herr von Aschen?«
Dori war immer lebhafter geworden während ihrer Schilderung, der Herr von Aschen lächelnd zugehört hatte. Jetzt nickte er: »Ja, ja, nun steigt mir die Erinnerung auf. So sind Sie das kleine braunäugige Mädchen von Cavandone? Ja, die welligen Haare und die braunen Augen kann ich noch wiederfinden, aber Sie sind so groß geworden! Meine Tochter hatte solche Freude an Ihnen. War da nicht etwas mit einem Bilde, das Sie von ihr wünschten?«
»O ja, Herr von Aschen«, fuhr Dori mit derselben Lebhaftigkeit fort, »das war das Bild aus der Heimat meines Vaters, es war seine letzte Freude, er hat es immer noch angeschaut. Dann wollte ich kommen und Ihnen danken und die Rosen bringen, die ich dem Fräulein versprochen hatte. Aber wie ich nach Pallanza herunter kam, waren Sie fort und das liebe Fräulein war –« Dori hielt inne, Herr von Aschen hatte seine Hand über die Augen gebreitet. »O, Herr von Aschen«, fuhr Dori nach einer Weile fort, »noch jetzt möchte ich Ihnen danken, daß Sie meinem Vater noch die große Freude gemacht haben. Wenn ich doch nur auch für Sie etwas tun könnte, das Ihnen auch nur ein wenig Freude machen würde! Nicht wahr, ich darf nun alles für Sie tun, so wie wenn ich eine alte Bekannte von Ihnen wäre?«
Herr von Aschen kehrte sich wieder lächelnd zu der kindlich Bittenden. »Nun ist das Danken doch wirklich an mir, liebes Kind«, sagte er, Doris Hand drückend. »Sie kommen, mich in meiner einsamen Krankenstube aufzusuchen; schon das ist mir eine Freude, und eine doppelt große Freude, nun ich weiß, daß wir alte Freunde sind und eine gemeinsame, liebe Freundin hatten. Schondaran zu denken, ist mir so wohltuend.« Er fragte nun, ob Dori ihm wohl dann und wann etwas vorlesen wollte, das mangelte ihm am meisten, daß die Wärterin ihm den Dienst nicht leisten konnte; es selbst zu tun, war ihm vom Arzt untersagt, er fühlte auch selbst, daß es ihn zu sehr anstrengte. Dori bezeugte ihre herzliche Freude darüber, das tun zu dürfen, und wollte auch gleich mit Eifer die Tätigkeit beginnen, aber Herr von Aschen sagte, heute wolle er sich an ihrer Unterhaltung erfreuen. Sie sollte ihm erzählen, was sie alles erlebt hatte,
Weitere Kostenlose Bücher