Was soll denn aus ihr werden?
mich bald?« sagte der Kleine halblaut.
Dori winkte ihm ein Lebewohl zu und ging. Die Dame hatte gezeigt, daß sie eine alte Bekanntschaft nicht anerkannte und eine neue wollte sie vielleicht erst erlauben, wenn die Pflege von Dori übernommen würde, sagte sich diese. Nun war sie draußen. Als hätte sie Flügel, so eilte Dori die Straße dahin. Sie fühlte nicht mehr den scharfen Wind, sie sah nicht mehr schauernd die kahlen Wiesen und den langen, langen Winter vor sich, lauter Sonnenscheinlag vor ihren Augen. Aber die Mutter, was würde nun die Mutter sagen? Wenn der Jammer ausbrechen sollte und die Tränen! Jetzt fing eine große Angst an, Doris Herz zusammenzuschnüren. Sie stand an der Tür – einen Augenblick zögerte sie, nun machte sie auf.
Dorothea saß bei ihrer Arbeit. Sie hob den Kopf auf und schaute mit Staunen in die strahlenden Augen ihres Kindes. »Was ist's, Dori, was ist mit dir?« fragte sie lächelnd.
»Mutter, o fang nur nicht an zu weinen und zu jammern!« bat Dori, sie umschlingend, »ich möchte heim, Mutter, ich weiß wie, ich habe eine Arbeit. O, Mutter, komm doch mit mir heim! Wir wollen gehen, ehe der Winter wiederkommt. O, heimgehen, Mutter, wieder heim!«
Dorothea war ganz bleich geworden, aber sie weinte nicht. »Dori«, sagte sie mit einer Stimme, in der es wie Freude klang, »ich werde ja nicht jammern, wie oft habe ich heimlich selbst so gedacht; aber wie durfte ich es sagen! Und seit es so mit Niki Sami gegangen ist, habe ich ja hundertmal im stillen gedacht: Zurückkehren wäre das beste für dich und mich. Aber wie könnten wir das? Wir können nicht machen, wie wir wollen, Dori.«
Aber Dori jubelte laut auf. »Nun können wir, Mutter, nun ist alles gewonnen. Ich hatte ja nur die eine große Angst, du wolltest nicht mehr heim, weil hier deine Heimat war.«
»Ja war, Dori«, wiederholte die Mutter, »du sagst es recht. Ich bin so jung weggeführt worden von deinem Vater und mir war immer, als habe ich erst an seiner Seite zu leben angefangen, mit ihm und da, wo er war. Dann kamst du und warst daheim in dem sonnigen Land und ich mit dir. Und hier fühlte ich es bald, wie es war mit dir. Du bist nicht aus diesem Boden herausgewachsen, es ist so, als wärest du ein Kräutlein, das nicht hierher gehört, um zu gedeihen und seines Lebens froh zu werden. Du könntest dich nie hier daheim fühlen und deine Heimat nur kann meine Heimat sein. Aber immer muß ich wieder sagen: Wie sollte es sein können, Dori, daß wir zurückkehrten?«
Dori mußte erst dem Jubel ihres Herzens freien Lauf lassen, daß die Mutter mit ihr vollkommen übereinstimmte, daß ihr alle Angst darüber für alle Zeiten vom Herzen genommen war. Dann konnte sie endlich erzählen, wie sie zu dem Gedanken gekommen war, daß ihr bei den Worten der Dame gleich das Felsenhaus auf der sonnigen Höhe von Cavandone vor Augen gestanden habe, und daß der kleine Rollwagen nirgends auf Erden so schön im warmen Licht des Himmels hin- und hergestoßen werden könne, wie auf der Terrasse am sonnigen Felsenhaus. Nur der Gedanke an die Mutter hatte sie abhalten können, gleich alles so zu schildern, daß dieDame gewiß die Abreise sofort gewünscht hätte. Nun stiegen aber doch schwere Bedenken bei der Mutter auf, ob nicht zuviel gewagt werde, ein eigenes Haus zu verlassen, das vielleicht nicht verwertet werden konnte, und ein anderes wieder zu übernehmen, das doch große Ausgaben erforderte. Aber Dori ließ keine Sorge mehr aufkommen. Sie bewies der Mutter, daß die Dame wohl wisse, was sie übernehme, wenn sie für Jahre eine Pflegerin mit einem Kinde ins Ausland schicke. Dann sei doch etwas weniges von dem Hause hier auch zu beziehen, man könnte es doch auch verkaufen.
Dorothea ließ sich gern von ihren Befürchtungen abbringen, sie war nur zu froh, daß Dori so bestimmt und voller Zuversicht die Sache in die Hand nahm. Nun diese der Zustimmung der Mutter sicher war, sah sie keinen Grund mehr vor sich, warum sie die Dame noch länger auf Antwort warten lassen sollte, konnte sie selbst es ja auch kaum abwarten, alles festzusetzen, um die Rückkehr nach ihrer Heimat mit Gewißheit vor sich zu sehen. Wenn sie gleich noch einmal nach dem Kurhaus hinaufliefe? Dorothea meinte, morgen wäre es ja noch früh genug; aber das Heute war Dori sicherer. Sie lief. Eine übereinstimmendere Seele als Frau Lichtenstern hätte Dori für ihre Wünsche gar nicht finden können.
Die Dame, die diesmal im Gesellschaftssaal gesucht werden
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