Was soll denn aus ihr werden?
mußte, kam sofort herbeigelaufen und war hoch erfreut über Doris Mitteilungen. Daß da noch eine Mutter war, die mitreiste und mitlebte, befriedigte sie sehr. Sie machte nun gleich Dori einen Vorschlag, wie es mit ihren Bemühungen um den Jungen und sodann mit seiner und ihrer Lebensunterhaltung gehalten werden sollte. Dori ging erfreut auf alles ein, sie wußte, das konnte sie, denn die Berechnungen der Dame für den Lebensunterhalt waren sehr verschieden von denen, die sie selbst kannte, aber nicht zu ihrem Nachteil verschieden.
»So bliebe uns nur noch übrig, den Tag der Abreise festzusetzen«, meinte Frau Lichtenstern. »Was meinen Sievon heut in vier Tagen? Ich habe Eile, fortzukommen. Sie werden es einrichten, daß wir so reisen können.«
Doris Herz klopfte vor Wonne. In vier Tagen schon der sonnigen Heimat zu! Aber die Mutter? Dori sagte, für sie wäre noch viel zu besorgen, vielleicht würde die Mutter sich zu so schneller Abreise nicht entschließen können. Aber Frau Lichtenstern bewies unumstößlich, daß jeder Tag darüber hinaus zu viel wäre, daß plötzlich der Winter hier in den Bergen einbrechen könnte, so daß am Ende diese Bergpässe gar nicht mehr zu überschreiten wären und man den ganzen Winter durch in der Talenge lebendig eingemauert säße. Dori versprach, zu tun, was ihr möglich sei und wollte nur noch einige Anweisungen über die Behandlung ihres künftigen Zöglings haben. Aber Frau Lichtenstern ging nicht darauf ein. Sie sagte, schöne milde Luft und gesunde Kost sei die Hauptsache, das übrige werde die Intelligenz der Pflegerin ihr schon eingeben. Dann ging sie auf einige andere Gegenstände über, die Dori nicht zu besprechen verstand. So stand sie auf, um sich zu entfernen.
Dorothea war es geradezu, als wollte die Welt über ihrem Kopf zufammenfallen, als sie hörte, in vier Tagen sollte alles verpackt, besorgt und sie zur Reise bereit sein.
»Aber Dori, siehst du denn auch nicht ein, daß es völlig unmöglich ist!« jammerte sie. »Was meinst du denn auch! Alles das Hausgerät! Alle die großen Stücke, die man nicht mitnehmen kann. Das Haus selbst. Wie kannst du auch nur einen Augenblick an so etwas Unmögliches denken!«
Aber Dori sah keine Unmöglichkeit vor sich. »Laß mich nur machen, Mutter, in drei Tagen will ich mit allem fertig sein«, sagte sie zuversichtlich. »Die Sachen, die nicht mitgenommen werden, übergeben wir dem Melchior, der besorgt uns das besser als wir selbst. Wir könnten ja ein Jahr lang warten, bevor wir das Zeug losgeschlagen hätten. Das Haus übergeben wir ihm ebenfalls, er weiß besser, was damit zu machen ist, als wir es wüßten.«
»Aber die Nonna, die Verwandten, was wird die Nonna sagen! Was werden sie alle sagen! O wie wird alles noch kommen!« jammerte Dorothea wieder.
Dori ließ sich nicht entmutigen. Sie schlug vor, gleich zur Nonna zu gehen, ihr alles zu erklären und sie zu fragen, was mit dem Haus geschehen soll. Aber der Gedanke, welchen Eindruck der Entschluß bei der Nonna und den übrigen Verwandten hervorbringen würde, war für Dorothea das Schrecklichste. Erst mußte sie den Mut erlangen, das Geständnis des Vorhabens abzulegen.
Dori kannte die Mutter gut genug, um zu wissen, daß sie durchaus eine Zeit der ruhigen Vorbereitung bedürfe, um etwas auszuführen, das ihr einen solchen Schrecken einflößte. Sie setzte sich darum ganz fest an den Tisch hin, so als habe sie im Sinn, eine lange Zeit nicht wieder aufzustehen.
»Komm Mutter, heute bleiben wir noch ganz ruhig da, so als hätten wir gar nichts vor«, sagte sie, der Mutter einen Sitz neben sich zurecht machend, »ich habe dir ja auch noch viel mitzuteilen, vor allem noch die Verhandlungen mit Frau Lichtenstern.« Dori hatte den rechten Weg eingeschlagen. Über ihre Mitteilung der Vorschläge, welche die Dame gemacht, und Doris eifrigen Beweisen, wie aus diesen Mitteln in der alten Heimat ein herrliches Leben geführt werden könne, vergaß Dorothea die erschreckende Aussicht und kam weit darüber hinaus mit ihren Gedanken. Sie mußte ausrechnen, ob Doris Beweise richtig seien, ob es wirklich eine Möglichkeit wäre, das alte Leben wieder aufzunehmen. Es kam ihr selbst so schön vor, daß sie es kaum glauben konnte. »Aber das kann ich nicht begreifen«, fuhr Dori in ihren Mitteilungen fort, »daß Frau Lichtenstern mir durchaus keine Anweisungen geben wollte, wie ich den kleinen Jungen zu behandeln habe. Auf meine Frage danach erwiderte sie ganz kurz, die
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