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Was soll denn aus ihr werden?

Was soll denn aus ihr werden?

Titel: Was soll denn aus ihr werden? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
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möchte noch etwas sagen, wenn Sie nicht müde sind«, fing Dori wieder an.
    »Sprich nur, Kind, sprich nur«, der Kranke kehrte sich wieder zu ihr.
    »Es gibt doch noch etwas anderes als verdienen, das haben doch die Menschen vom lieben Gott gelernt. Wenn ein Mensch noch so viel verbrochen hat und schon verurteilt ist, so darf er ja doch noch um Gnade bitten und kann auch noch begnadigt werden.«
    Herr von Aschen hatte Doris Hand ergriffen, er schwieg. Nach langer Zeit, als Don dachte, ihr Kranker sei längst eingeschlafen, hörte sie, wie er halblaut vor sich hin sagte: »Ja, um Gnade bitten, du hast das rechte Wort gefunden. Dort.«
    Herr von Aschen war sehr schwach geworden. Er erhob sich aber jeden Morgen und brachte den Tag in seinem Lehnstuhl zu, an dem Fenster sitzend, das ins Tal hinunterschaute.
    Wenige Tage nach der nächtlichen Unterredung mit Dori wollte der Kranke von seinem Arzte wissen, auf welche Zeit er wohl seine Heimreise festsetzen dürfte, er wolle sich von einem Neffen abholen lassen. Der Arzt zuckte die Achseln. Er meinte, Herr von Aschen sollte eher daran denken, in seiner Villa zu überwintern. Er könnte jaseinen Verwandten herkommen lassen, um doch einige Gesellschaft an ihm zu haben, schlug der Arzt vor. Als er sich entfernt hatte und Dori wieder am Bette des Kranken stand, winkte er ihr, daß sie sich zu ihm hinsetze. »Ich möchte dir einen Brief diktieren«, sagte er. »Ich habe meinen Arzt verstanden, er wünscht, daß ich meine Verwandten benachrichtige, ich werde nicht mehr zu ihnen, sie sollen zu mir kommen. Nimm dieses Papier hier, Dori, und schreib erst diese Adresse. Das ist der Name meiner Schwester in Hamburg; nur diese einzige Schwester habe ich, aber sie hat eine große Familie, fünf Söhne und drei Töchter. Einer der Neffen wird wohl kommen, ob er mich noch findet, ist die Frage. Nun schreib, liebes Kind.«
    Dori wischte erst die Tränen weg. Seit drei Tagen hatte sie heimlich manche weggewischt; es war ihr nicht entgangen, wieviel schwächer der Kranke von Tag zu Tag geworden war. Als sie den Brief zu Ende gebracht, trug sie ihn zur Frau Anne hinaus, damit diese ihn zur Post bringe. Als Dori wieder hereintrat, sah sie, wie Herr von Aschen in den Lehnstuhl zurückgesunken war, er schien zu schlummern, durch das offene Fenster hörte man dieGlocken aus dem Tal heraufklingen. Dori setzte sich leise neben den Kranken hin.
    »Du hast so schön gesungen, Kind«, sagte er mit leiser Stimme, »willst du nicht fortfahren?«
    »Ich habe nicht gesungen, ich glaube, Sie haben die Klänge der fernen Glocken gehört«, entgegnete Dori. »Es ist Sonntag und sie läuten überall im Tal.«
    »Es war so schön! Ich glaubte deutlich zu hören, wie du mit einer hellen Glockenstimme das Lied sangst, das mein Kind liebte.« Herr von Aschen sprach kaum hörbar.
    Dori hatte ihn noch nie so müde gesehen. Sie legte ihren Arm um seinen Hals, damit er sich an sie lehne.
    Er hielt ihre Hand fest: »Geh nicht mehr von mir, Kind, mir ist, als bete immer jemand für mich, wenn du bei mir bist. Willst du mir jetzt meines Kindes Lied singen?« Seine Worte waren immer leiser geworden.
    Dori wollte singen, sie konnte nicht. Sie sagte die Worte, die sie singen sollte, mit zitternder Stimme Herrn von Aschen vor, indem ihre fallenden Tränen seine Hände benetzten. Er hatte sich auf ihren Arm zurückgelegt, Dori fühlte, er hatte zu atmen aufgehört. Gewiß war er ins sel'ge Land hinübergegangen. Sie nahm seine Hände und legte sie ineinander. Dann kniete sie neben ihm nieder und weinte leise, ihre Hände über den seinigen gefaltet, sie konnte nicht von ihm weggehen.
    Es war eine gute Zeit vergangen, da trat der alte Melchior ins Zimmer, der Herrn von Aschen fast täglich einen kleinen Besuch machte. Auf sein Klopfen hatte niemand gehört, es war alles so still drinnen und doch mußte Dori da sein. So war er hereingetreten. Er hatte geahnt, was drinnen möchte geschehen sein. Leise trat er heran und legte die Hand auf die Schulter der weinenden Dori. »Du hast nun das Deine getan«, sagte er, eine Träne wegwischend, »geh du nun heim, Dori, was für ihn noch zu tun ist, das muß ich tun. Deine Dienste haben ihm wohlgetan, den meinen muß er nicht mehr fühlen. Lob und Dank sei Gott, der ihm das Irdische so leise abgenommen hat.«
    Dori drückte noch einmal die kalten Hände und ging. An der Türe kehrte sie sich noch einmal um. Melchior stand mit gebeugtem Haupt und gefalteten Händen vor dem

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