Was Soll Ich Tun
für mich nur der Hintergrund und der Ausgangspunkt, wenn ich im folgenden Antworten formuliert habe, und ich hatte dabei immer Menschen vor Augen, die ähnliche Fragen haben könnten. Ich hoffe also, dass sich viele Leser und Leserinnen in diesem Buch wiederfinden und beim Lesen der Antworten für sich einen Weg entdecken, wie sie auf ihre eigenen Fragen antworten können.
ELTERN UND KINDER, FAMILIE
Wenn man mit anderen Menschen intensiver und näher ins Gespräch kommt, dann werden fast regelmäßig die Beziehung zu den eigenen Eltern thematisiert. Da gibt es Verletzungen in der Kindheit. Und es gibt die Probleme in der gegenwärtigen Beziehung zu den Eltern. Es ist natürlich, dass es Verletzungen gibt. Doch irgendwann sollten wir die Wunden nicht mehr den Eltern vorwerfen, sondern die Verantwortung für unsere Kindheit übernehmen. Sie war so, wie sie war, mit ihren positiven und negativen Erfahrungen, mit den gesunden Wurzeln und mit den Kränkungen, die wir erfahren haben. Es ist unsere Aufgabe, uns mit den Verletzungen auszusöhnen und die Wunden – wie die hl. Hildegard von Bingen sagt – in Perlen zu verwandeln. Gerade dort, wo wir verletzt worden sind, können wir auch unsere persönlichen Fähigkeiten entdecken und entwickeln. Es ist eine Weisheit schon der griechischen Antike, dass nur der verwundete Arzt zu heilen vermag. Denn wer die Schmerzen kennt, ist fähig zum Mitgefühl.
Häufig wirken sich die Verletzungen der Kindheit auch auf die gegenwärtige Beziehung zu den Eltern aus. Nur wenn ich mich ausgesöhnt habe mit meiner Geschichte, kann ich die Eltern so lassen, wie sie sind, ohne ihnen Vorwürfe wegen erlittener Verletzungen zu machen. Damit ich die Eltern lassen und auch ihre guten Seiten sehen kann, muss ich mich zuvor von meinen Erwartungen an die Eltern verabschieden. Wir alle haben die Erwartung an eine ideale Mutterund an einen idealen Vater. Doch diesen Erwartungen entsprechen unsere Eltern nicht. Sie müssen ihnen auch nicht entsprechen. Manchmal müssen wir auch betrauern, dass unsere Eltern so sind, wie sie sind, dass die Mutter kalt ist und der Vater so schwach, dass er uns keinen Halt geben kann. Wenn wir das betrauern, was wir als Defizit an den Eltern erleben, werden wir auch ihre Stärken entdecken. Immerhin haben sie ihr Leben gemeistert. Wir werden neugierig, ihre Lebensphilosophie zu entdecken. Was hat sie getragen? Wie kamen sie mit den Herausforderungen von außen zurecht? Wie haben sie sich arrangiert mit ihren eigenen Verletzungen? Welche Lebenskunst haben sie für sich entwickelt? Das Betrauern befreit uns davon, die Eltern anzuklagen oder uns selbst zu bedauern, dass wir diese Eltern haben. Vielmehr macht es uns neugierig, ihr Leben zu bedenken, ihr Gewordensein, ihre Art und Weise, mit Schwierigkeiten umzugehen, und die Liebe und Sorge anzuerkennen, die sie für die Familie aufgebracht haben.
Ein anderes großes Thema ist die Beziehung zu den eigenen Kindern. Alle Eltern haben den besten Willen, ihre Kinder gut zu erziehen. Aber sie kommen nicht selten an ihre eigenen Grenzen. Sie haben manchmal den Eindruck, dass ihre Kinder ihnen entgleiten, dass sie ganz andere Wege gehen. Dann kommen Schuldgefühle hoch. Gerade in der Erziehung von Kindern und der Begleitung von jungen Menschen erleben wir, dass wir auf den Segen Gottes angewiesen sind. Ob das, was wir für die Kinder tun, wirklich Segen bringt, hängt nicht allein von uns ab. Da bringt es nicht viel, auf die „Autorität“ von Erziehungsbücherzu setzen und sich in Vorwürfe zu vergraben, dass man irgendwelchen Idealbildern nicht entspricht. Viel entscheidender ist, Kinder mit aller Sorge und Liebe zu erziehen und dabei auch dem eigenen Gefühl zu trauen. Und viel wichtiger ist, darauf zu vertrauen, dass der Samen, den wir in die Kinder hinein gelegt haben, irgendwann auch einmal aufgehen wird. Und wenn sich die Kinder anders entwickeln, dürfen Eltern darauf vertrauen, dass ihre Kinder einen Engel haben, der sie auf allen Umwegen und Irrwegen begleitet und sie irgendwann auf den Weg führen wird, der für sie stimmt und sie zum Leben bringt.
Wir haben uns immer sehr um unser Kind gekümmert und es gefördert. Schulisch haben wir es mit allem Möglichen probiert, mit Überreden, mit Belohnung, mit teurem Nachhilfeunterricht. Aber mein Kind schafft den Übergang ins Gymnasium nicht. Ich selber stamme aus einfachen Verhältnissen, konnte durch glückliche Umstände studieren und weiß, wie sehr es in unserer
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