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Was Top-Unternehmen anders machen

Was Top-Unternehmen anders machen

Titel: Was Top-Unternehmen anders machen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Bailom , Kurt Matzler , Dieter Tschemernjak
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bestehende Märkte erwerben – die Gefahr der „Core Rigidities“
    Oskar Barnack, Hobbyfotograf und Werkmeister der Kinoversuchsabteilung der Ernst-Leitz-Werke zu Wetzlar, wollte Menschen einfach lebendig und lebensnah im Bild festhalten, ohne schwere Fotoplatten und Stative zu schleppen, nur um ein Foto zu machen. 1925 entwickelte er die erste Kleinbildkamera, die bald zur Serienproduktion gebracht wurde. Für die professionellen Fotografen war die Kamera ein Spielzeug, für die fotografierende Öffentlichkeit eine Sensation. „Bis dahin war es immer so, dass die Welt zur Kamera kam. Mit der Leica kam die Kamera zur Welt“, erklärte Hans-Peter Cohn, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Leica Camera AG. 161 Große Fotografenlegenden wie Henri Cartier-Bresson oder Robert Capa waren von der Leica begeistert. Berühmte Bilder wie das Hissen der russischen Fahne auf dem Berliner Reichstag sowie Kordas berühmtes Che-Guevara-Porträt wurden mit der Leica gemacht. Weltweit stand der Technologieführer Leica für deutsche Qualität, Beständigkeit, einfache wie geniale Technik, ohne Schnickschnack. Die Kernkompetenz bestand in der Optik und Mechanik. Nach jahrelangen Umsatzrückgängen schrieb das Unternehmen 2003 Verluste, ebenso wie 2004 und 2005. Leica widersetzte sich jahrelang dem Trend zur Digitalfotografie und ging davon aus, dass sich die anspruchsvollen Leica-Kunden weniger für Megapixel als für das fotografische Erlebnis interessierten und höchste Qualität hinsichtlich der Optik über die Mechanik bis zum fertigen Bild suchten. 162 Des Weiteren ging das Management davon aus, dass sich die eigenen Kernkompetenzen nicht in der digitalen Fotografie umsetzen ließen, und wehrte sich gegen die Digitaltechnik, da die Qualität lange Zeit nicht an jene der Analogietechnik herankam. Der Eintritt in die Digitalfotografie kam, vermutlich aber zu spät und mit zu wenig Nach-druck.
    Ã„hnlich ging es vielen Herstellern von TV-Geräten, die die Bildröhre jahrelang weiterentwickelten und den Trend zu Flat-Screens lange ignorierten und schließlich verschliefen.
    Im Neuaufbau von Kernkompetenzen für die bestehenden Märkte liegen für viele Unternehmen zentrale und zugleich schwierige Herausforderungen. Vor allem dann, wenn technologische Veränderungen alte Kompetenzen obsolet machen oder wenn neue Kundenanforderungen entstehen. Unternehmen, die über starke Kernkompetenzen verfügen, unterliegen einer großen Gefahr, die Dorothy Leonard-Barton 163 als „Core Rigidities“ bezeichnete. Starke Kernkompetenzen können gleichzeitig Core Rigidities sein, die das Unternehmen daran hindern, neue Kompetenzen zu akquirieren.
    Wie können Unternehmen dieses Dilemma umgehen? Wir stellten diese Frage Michael Mirow, dem langjährigen Leiter der strategischen Planung von Siemens. „Kernkompetenzen können Käfige“ sein, wenn es um radikale Innovationen geht, war seine Antwort und er verwies uns auf ein Konzept, das bei Siemens zum Einsatz kommt 164 und sich bewährt hat.
    Bei diesem Konzept werden inkrementale Innovationen von revolutionären Durchbruchsinnovationen unterschieden. Zur Planung der inkrementalen Innovationen werden Produkt- und Technologieroadmaps verwendet, für radikale Innovationen Retropolationen.
    Die Produktroadmap ist eine zeitlich gereihte Darstellung aller künftigen Generationen von Produkten oder Produktgruppen. Der Zeithorizont richtet sich nach der Dauer der Produktlebenszyklen und der geschätzten Dauer einer Produktentwicklung, von zwei Jahren bei PCs bis zu zehn Jahren bei Dampf- und Gasturbinen im Kraftwerksbau. Produktverantwortliche, Technologen und Branchenexperten erarbeiten gemeinsam mit Schlüsselkunden und -lieferanten mögliche Zukunftsoptionen, leiten daraus Produktideen und Abfolgen von Produktgenerationen ab. Das Vorgehen ist extrapolativ, man geht vom bestehenden Produktprogramm aus.
    Das zweite Instrument sind die Technologieroadmaps, die die Produktroadmaps ergänzen. Auch die Technologieroadmaps sind extrapolativ, sie dienen dazu, rechtzeitig die Technologie zu identifizieren, die für die künftigen Produkte angewendet werden können. Dabei müssen Kernkompetenzen kontinuierlich weiterentwickelt und fehlende Kompetenzen bzw. Technologien erworben werden. Die Gegenüberstellung der Technologie- und Produktroadmaps führt zu einer Abstimmung der

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