Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was uns glücklich macht - Roman

Was uns glücklich macht - Roman

Titel: Was uns glücklich macht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
Vom Netzwerk:
Gefängnis kommt, ist das immer relevant, selbst wenn man hundert Jahre alt wird. »Möchtest du die Geschichte hören?«
    »Nur wenn du sie erzählen magst«, sagte Samantha.
    »Lieber nicht«, sagte ich, »aber ich erzähle sie dir.«
    Samantha runzelte die Stirn.
    »Da habe ich mich falsch ausgedrückt«, sagte ich. »Ich wollte nur sagen, dass es keinen besonderen Spaß macht, darüber zu reden, deswegen mache ich es auch fast nie, aber es ist mir wichtig, dass du weißt, dass ich keine Geheimnisse vor dir habe.«
    »Katherine, du …«
    Ich unterbrach sie. »Setz dich hin und entspann dich«, sagte ich. »Es ist eine lange Geschichte.«
    Die Geschichte handelt vom Bruder meiner Mutter – Onkel Edward –, der immens reich und ein totaler Idiot war. Er verdiente sein Geld mit Immobilien, kaufte heruntergekommene Häuser, warf die armen Leute raus, die dort lebten, riss die Häuser ab und stellte elegante Stadthäuser hin. Das ist völlig legal, und vermutlich könnte man auch anführen, dass er die jeweiligen Viertel aufwertete, aber ich habe mich immer gefragt, wohin all die armen Leute gegangen sind. Einmal habe ich ihn gefragt, nur ein einziges Mal.
    »Ist doch scheißegal«, lautete seine Antwort.
    Danach habe ich ihn nie mehr gefragt.
    Mein Vater hat für ihn gearbeitet, in der Geschäftsführung, sodass er jede Menge Freizeit hatte. Mein Dad war oft zu Hause, als ich klein war, was für mich wunderbar war. Aber es war ziemlich offensichtlich, dass er seine Arbeit nicht mochte, und in dem Sommer, in dem ich elf wurde, fand ich auch raus, warum. Wir waren bei meinem Onkel in Southampton. Wir sind immer einmal im Sommer zu ihm rausgefahren, nicht mehr, und nicht weniger, und es war klar, dass meine Eltern sich dort nicht wohlfühlten, aber mir hat es gefallen. Das Haus war der Wahnsinn, es hatte einen Pool und ein Trampolin, und das Spielzimmer meiner Cousins war größer als unser Haus. Mir hat es dort immer total gut gefallen, bis ich eines Tages den Luftschacht entdeckte.
    Eigentlich habe gar nicht ich ihn entdeckt. Mein ältester Cousin hat ihn mir gezeigt. Er hieß Richard, und ich fand ihn cool, weil er ein bisschen aussah wie John Travolta und weil er rauchte. Richard zeigte mir einen Luftschacht im Spielzimmer im Erdgeschoss, wo er heimlich eine Zigarette rauchen und den Rauch in den Luftkanal blasen konnte. Es war genial und so was von cool.
    In dem Jahr wurde ich elf, und ich beschloss, es ebenfalls auszuprobieren. Ich wusste, wo ich Zigaretten kriegen konnte, mein Onkel hatte immer welche auf der Küchenarbeitsplatte liegen, und jetzt wusste ich, wo ich sie rauchen konnte. Ich kann mich immer noch erinnern, wie mein Herz schlug, als ich zwei Zigaretten aus der Packung klaute, sie in den Bund meiner Jogginghose steckte und auf Zehenspitzen nach unten schlich. Im Spielzimmer war niemand. Mein Vater und mein Onkel waren die Einzigen, die im Haus waren, und sie hatten sich im Büro meines Onkels eingeschlossen. Mir hatten sie gesagt, sie müssten unter vier Augen miteinander reden und dürften nicht gestört werden.
    Ich öffnete den Abzug über dem Lüftungskanal und steckte den Kopf hinein, doch bevor ich das Streichholz anreißen konnte, hörte ich Stimmen. Sie klangen blechern und hallten ein wenig, doch ich erkannte sie sofort und konnte auch mühelos hören, was sie sagten.
    »Du hast mir nie Respekt gezeigt.«
    Das war mein Vater.
    »Mach dich doch nicht lächerlich.«
    Das war mein Onkel.
    »Wenn man überlegt, wie du mich all die Jahre behandelt hast«, sagte mein Vater, »musst du einfach verrückt sein zu glauben, dass ich dir aus der Patsche helfe.«
    »Lass dir mal was gesagt sein«, meinte mein Onkel. »Seit Jahren wirst du hier fürs Nichtstun bezahlt. Da ist das erste Mal, dass ich dich bitte, was zu tun, und du wirst genau das machen, was ich dir sage.«
    »Oder was? Drohst du etwa, deine eigene Schwester und deren Familie aus dem Geschäft zu verdrängen?«
    »Nein«, erwiderte mein Onkel. »Damit drohe ich dir nicht.«
    »Womit denn dann?«, fragte mein Vater.
    Mein Onkel schwieg. Danach habe ich sie beide nichts mehr sagen hören.
    Ein paar Monate später ging mein Vater in der Pampa ins Gefängnis; er wurde wegen Steuerhinterziehung zu vier Jahren Haft verurteilt. Ich habe nie jemandem erzählt, dass ich wusste, was passiert ist, und ich habe die Sache auch nie in den Zeitungen nachgelesen. Aber an dem Tag habe ich zwei wertvolle Lektionen gelernt. Erstens, dass Geld ohne Macht

Weitere Kostenlose Bücher