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Was uns glücklich macht - Roman

Was uns glücklich macht - Roman

Titel: Was uns glücklich macht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Selbst bei mir war es nicht so, und bei Katherine würde es nie so sein. Dieses Bewusstsein lässt jeden Moment ein wenig wie den im Flugzeug kurz vor der Landung werden, wenn man sich bekreuzigt und die Armlehne so fest umklammert, dass man mit wunden Fingern aussteigt, oder wie den, wenn man still auf dem Boden liegt, während der Bär einem am Haar schnüffelt. Nicht dass jeder Moment mit Katherine so gewesen wäre, aber diese Gefühle begleiten einen ständig, sosehr man sie auch zu verdrängen sucht.
    Wenn sie vom Krebs sprach, klang sie eher traurig als verängstigt, ich glaube, das liegt daran, dass sie so viel bereut. Es ist eine Sache, sich vor Krankheit und Tod zu fürchten, und eine ganz andere, sich fragen zu müssen, warum man sein Leben so und nicht ganz anders geführt hat. Ich glaube, wenn Katherine ans Ende ihres Lebens dachte, dachte sie, dass sie etwas ganz anderes aus ihrem Leben machen würde, wenn sie es noch einmal leben dürfte, dass sie jede Minute seit Phillip ganz anders gestalten würde, und das stimmte sie traurig.
    Aber bei weitem nicht so traurig, wie wenn sie von Stephen sprach.
    »Mein Leben lang«, sagte sie zu mir, »habe ich nie an Liebe auf den ersten Blick geglaubt.«
    »Aber du hattest dich geirrt.«
    »Ja.« Sie lächelte. »In dem Moment, wo ich ihn gesehen habe, wusste ich es. Es war, als ob man vom Blitz getroffen wird, nur dass das Gefühl warm, weich und wunderbar war, als würde sich mein Innerstes in flüssiges Karamell verwandeln. An einem Tag habe ich erkannt, dass nichts in meinem Leben so ist, wie ich es haben wollte. Und, wichtiger noch, ich habe die Konsequenzen gezogen. Ich habe ihm gesagt, dass ich in zwei Wochen zurückkommen würde, und das wollte ich auch wirklich tun. Ich habe meinen Job gekündigt, ich wollte meine Wohnung zum Verkauf anbieten, ich war verrückt nach diesem Mann. Und dann …«
    Ihre Stimme verklang. Auch das macht der Krebs manchmal mit einem. Es fällt einem schwer, den Satz zu vollenden.
    »Ich fahre nach Aspen und suche ihn«, sagte ich. »Wenn du mir seinen Nachnamen nicht verraten willst, setze ich mich einfach ins Flugzeug.«
    Da wurde Katherine todernst. »Hör mal, ich weiß, dass du das aus den richtigen Gründen sagst und es auch aus den richtigen Gründen tun würdest, und wenn ich an deiner Stelle wäre, würde ich möglicherweise dasselbe tun. Aber ich bin nicht an deiner Stelle, und du nicht an meiner. Ich muss sicher sein können, dass du nicht nach Aspen fährst oder versuchst, Stephen über das Internet zu finden oder so. Du musst mir das versprechen. Wenn ich jedes Mal, wenn du hier reinkommst, befürchten muss, dass er hinter dir den Raum betritt, werde ich hiermit nicht weitermachen können.«
    Ich atmete tief durch. »Ich fahre nicht hin«, sagte ich.
    »Du musst mir das versprechen.«
    »Ich verspreche es dir«, sagte ich. »Aber wenn ich nicht hinfahren darf, musst du es tun. Du musst ihm sagen, was passiert ist.«
    »Ich kann nicht«, erwiderte Katherine. »Ich habe meine Assistentin angewiesen, ihm auszurichten, dass ich nicht länger dort arbeite und sie keine weiteren Informationen über mich hätte. Ich sei nur …«
    Auch diesen Satz vollendete sie nicht. Das brauchte sie auch nicht, ich verstand sie trotzdem.
    Die Assistentin, von der sie sprach, war eine urkomische, reizende junge Frau aus Brooklyn namens Marie, ein Jahr jünger als ich und für eine Frau, die keine Prostituierte war, wahnsinnig aufreizend gekleidet. Neben mir war sie Katherines häufigste Besucherin, und sie begleitete uns oder auch Katherine allein oft zum Chemotherapiezentrum. Marie war auf genau die richtige Art fröhlich und laut; es war nicht ganz unmöglich, in ihrer Gegenwart traurig zu sein, aber ziemlich schwierig. Auch an den schlimmsten Tagen behielt sie ihre unglaublich optimistische Haltung bei. Ich schloss sie sofort ins Herz, und es war leicht zu erkennen, dass Katherine sie ebenfalls von Herzen gern hatte. Und Marie erwiderte die Gefühle, auf ganz selbstlose Art. Sie war Katherine nichts mehr schuldig, sie mochte sie einfach, und das machte einen großen Unterschied, glaube ich.
    Dann kam ein Mittwoch, an dem ich mich erkältete. Es war nur ein leichter Schnupfen, aber ich wusste, sie würden mir nicht erlauben, Katherine bei der Chemo Gesellschaft zu leisten. Wenn man dort behandelt wird, ist das Immunsystem praktisch hilflos; sobald jemand im Therapiezentrum auch nur hustet, wird er sofort höflich zum Ausgang

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