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Was uns glücklich macht - Roman

Was uns glücklich macht - Roman

Titel: Was uns glücklich macht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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müssen.«
    Sie zog einen Stuhl ans Bett und ließ sich darauf fallen, und legte die Beine hoch, sodass sie über meinen lagen, wie bei zwei Teenies, die beieinander übernachten.
    »Ich bin bereit«, sagte sie.
    »Okay«, sagte ich, »fangen wir mit was Leichtem an. Er ruft seine Mutter jeden Tag an.«
    »Ist die Mutter krank?«
    »Kerngesund.«
    »Und wie alt ist er?«
    »Mitte dreißig.«
    »Absolutes K.-o.-Kriterium!«, rief Samantha aus, und wir brachen in hysterisches Gelächter aus.
    »Ich glaube, mein Problem ist, dass es in meinem Leben fast nur Männer gibt«, sagte ich, als wir uns wieder gefangen hatten. »Wenn ich Freundinnen hätte wie in Sex and the City , hätten sie mich davor gewarnt.«
    Samantha raschelte auf ihrem Stuhl herum, legte die Unterschenkel um meine Füße und drückte sie. »Noch eins«, sagte sie.
    Ich dachte einen Augenblick nach. »Okay, wie wäre es, wenn er einen kleinen Hund hätte, ein Weibchen, und er sich weigert, sie sterilisieren zu lassen, weil er Angst hat, dass sie Schmerzen leiden muss, und er ihr, wenn sie ihre Periode bekommt, Höschen anzieht und ihre Maxibinden wechselt.«
    »Das erfindest du doch«, sagte Samantha.
    Ich lachte. »Nein, ich schwöre es.«
    Sie sprang auf und schob ihr Gesicht nah an meines heran. »Willst du mich veräppeln? Du bist mit einem Typen ausgegangen, der seinem Hund die Maxibinden gewechselt hat?«
    »Ja. Als wir das erste Mal miteinander geschlafen haben, sagte er, auf dem Weg zu seiner Wohnung müssten wir in einer Apotheke vorbeischauen. Ich dachte, er wollte dort Kondome kaufen.«
    »Stattdessen waren es Maxibinden?«
    »Richtig.«
    Samantha ging im Raum auf und ab. »Also, damit ich das ganz richtig verstehe«, sagte sie. »Ich wart unterwegs zu seiner Wohnung, und er hielt an einer Apotheke, um Maxibinden für seinen Hund zu kaufen, und in dieser Nacht habt ihr zum ersten Mal miteinander geschlafen?«
    »Ja.«
    »Das ist ein derartiges K.-o.-Kriterium, dass ich glaube ich nichts mehr hören will. Das kann man ja wohl kaum noch toppen.«
    Ich lächelte. »Süße, setz dich wieder hin. Das waren nur die Aufwärmübungen.«
    Samantha
    Totales K.-o.-Kriterium wurde sofort eines unserer Lieblingsspiele. An dem Tag – und an vielen anderen – lachten wir Tränen über die unglaublichsten Szenarien, von denen wir manche selbst erlebt, andere erfunden hatten, je verrückter, desto besser. Katherine lachen zu sehen war für mich in diesen Tagen so bereichernd wie lange nichts mehr.
    Wir haben Sprüche wie »Lachen ist die beste Medizin«, die wir gedankenlos immer wieder benutzen. Dass sie wahr sind, erkennen wir erst, wenn wir sie wirklich brauchen. Der Spruch jedenfalls ist absolut wahr. Wenn Katherine lachte, war sie gesund, war sie ganz. Es kam nicht oft genug vor, denn es ist nicht immer leicht, Raum für Gelächter zu finden, wenn man um sein Leben kämpft, aber wenn man dann eine Gelegenheit findet, macht es einen Riesenunterschied.
    Sie war nur drei Tage im Krankenhaus. Ich war aufgeregt, als wir sie zurück nach Hause brachten; ich glaube, ich war sogar aufgeregter als sie selbst. In jenen Tagen führten wir in ihrer Wohnung wunderbare, tiefe Gespräche über alles Mögliche, wir redeten über ihr Leben und meines. Wir sprachen über Männer und die Arbeit, über Mode und Familie. Und über Krebs, auf eine Weise, wie nur wir, die wir den Krebs kennen, darüber reden können. Denn ehe man ihn kennt, kann man ihn nicht so erklären, dass andere es verstehen können. Das ist irgendwie so ähnlich, als wollte man jemandem, der nicht dabei war, im Detail von einem Ereignis erzählen, bei dem man beinahe umgekommen wäre, zum Beispiel als die Motoren Feuer fingen und das Flugzeug notlanden musste, oder als man beim Zelten einem Bären begegnete, sich flach auf den Boden legen und tot stellen musste und betete, dass der Bär einen beschnüffeln und sich dann trollen möge, statt einen zu zerquetschen und aufzufressen. Eine Erfahrung, von der man einem anderen erzählt, kann nie so erschreckend sein, wie wenn man sie selbst durchmacht, denn der Umstand, dass man dasitzt und erzählt, zeigt ja schon, dass man mit dem Leben davongekommen ist, während das Erlebte gerade deswegen so beängstigend war, weil man nicht wusste, ob man davonkommen würde. Von einer Situation zu erzählen kann nie so furchteinflößend sein wie die Situation selbst.
    Außer bei Krebs.
    Krebs landet nicht einfach so wie ein Flugzeug oder trottet davon wie ein Bär.

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