Was - Waere - Wenn
Freude laut aufschreien, als wir den Raum betreten
und hier statt Akten tatsächlich alles genau so herumsteht, wie ich es in
Erinnerung habe: die Leinwand, die Ledersessel, die seltsamen Projektoren und
Geräte. Die Frau von New Life hatte mich angelogen.
»Da hast du ja anscheinend wirklich die Wahrheit gesagt«, stellt Tim
fest und sieht sich neugierig um.
»Hast du daran gezweifelt?«
»Ehrlich gesagt: ja.« Ich ramme ihm meinen Ellbogen in die Seite.
»Autsch!« entfährt es ihm laut.
»Pst! Der bissige Nachbar!«
»Autsch«, wiederholt Tim noch einmal leise. »Und jetzt?«
»Hier!« Ich nehme mir das Sideboard vor, das direkt neben dem
Recorder steht, in den Elisa damals die CD s
geschoben hat. Es ist offen, ich ziehe die oberste Schublade auf und entdecke
darin mehrere CD -Fächer. »Sie hat alles auf CD gespeichert«, erkläre ich Tim, der mir einen fragenden
Blick zuwirft.
»Wie das?« will er wissen. Ich zeige auf das Gerät neben dem einen
schwarzen Ledersessel, aus dem mehrere Kabel gucken.
»Sie hat mich an das Ding da angeschlossen und meine Erinnerungen
dann … irgendwie runtergeladen.«
»Dann müssen wir sie jetzt nur noch wieder hochladen.« Ich lache.
»Klar, mit Betonung auf nur noch .« Dann
suche ich weiter, erst einmal müssen wir meine Daten finden, bevor hier irgend
etwas hochgeladen werden kann. Tim stellt sich neben mich und späht ebenfalls
in die Schublade.
»Da!« ruft er aufgeregt und nimmt einen CD -Halter
mit gut zwanzig Hüllen in die Hand, auf deren Rückseite jeweils »Charlotta
Maybach« und eine laufende Nummer stehen. Da sind sie, meine gelöschten
Eskapaden.
»Laß uns eine einlegen und gucken, was drauf ist!« Mit diesen Worten
macht er sich schon an dem Player zu schaffen.
»Ich weiß nicht«, meine ich zögerlich. Tim hält in seiner Bewegung
inne und dreht sich grinsend zu mir um.
»Geheimnisse?«
»Keine Geheimnisse «, widerspreche ich,
»nur … Peinlichkeiten.«
»Ach was«, Tim macht eine wegwerfende Handbewegung, »wir müssen doch
sehen, was drauf ist. Oder soll ich rausgehen?« Einen kurzen Moment überlege
ich tatsächlich. Aber dann entscheide ich mich für nein. Mir ist nichts mehr
peinlich. Und wenn doch, wird sich Tim, falls das klappt, sowieso nicht mehr erinnern
können. Ganz einfach, weil es ihn dann so, wie er hier vor mir steht, nicht
mehr gibt.
»Leg los!« sage ich und bin gespannt, was wir zu sehen kriegen.
Na gut, es ist mir doch peinlich. Die erste CD ,
die wir wahllos herausgegriffen haben, beginnt ausgerechnet mit meiner
Kneipenschlägerei. Tim starrt ungläubig auf die Leinwand, dann zu mir, dann
wieder auf die Leinwand.
»Du hast ja ganz schön auf die Tonne gehauen!«
»Genaugenommen haben ich auf den Typen eingehauen«, korrigiere ich
ihn und drücke eilig auf Stop. »Ich hab dir ja gesagt, ich war kein Kind von
Traurigkeit.«
»Das sehe ich«, stellt er grinsend fest.
»Grins nicht so blöd«, blaffe ich ihn an. »Gibt bestimmt auch in
deinem Leben ein paar Geschichten, die nicht ganz so glanzvoll waren.«
»Laß mich nachdenken.« Tim setzt einen angestrengten Gesichtsaudruck
auf. »Stimmt, da war mal was … ich habe mal in der zweiten Klasse die Kreide
versteckt.«
»Das war in deinem neuen Leben!«
»Was willst du damit andeuten?«
»Och, nix«, antworte ich lapidar und sehe harmlos an die Decke.
»Los, raus mit der Sprache!« Tim wirft mir einen gespielt bösen
Blick zu, so daß ich wieder kichern muß. Aber bloß nicht zu laut, sonst taucht
die Nachbarschaftshilfe am Ende wieder auf. Nach einer Weile werde ich wieder
ernst.
»Denkst du, das muß wirklich alles wieder in mein Leben rein? Können
wir nicht das eine oder andere Detail … die Fahrerflucht zum Beispiel … oder
die Prügelei im Locomoco?«
»Ist doch eh ein Scheißladen«, stellt Tim ungerührt fest.
»Ja, ich weiß, ich mein ja nur …«
»Charly, wenn dein Leben – und meins – wieder genau so sein soll wie
vorher, mußt du dir alle Schuhe wieder anziehen. Wir wissen ja nicht, welches
Ereignis welche Auswirkungen hatte!«
»Na gut«, stimme ich zu. Also nix mehr mit Charly-weiße-Weste. »Dann
laß uns anfangen.« Ergeben setze ich mich auf den Ledersessel mit den Kabeln.
»Und wie schließe ich dich jetzt an die Dinger da an?« Tim nimmt die
losen Kabel in die Hand und betrachtet ratlos die Metallplättchen.
»Keine Ahnung, irgendwie halt.«
»Irgendwie! Da muß es doch ein System geben.« Insgesamt sind es acht
Plättchen. Ich nehme
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