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Was - Waere - Wenn

Was - Waere - Wenn

Titel: Was - Waere - Wenn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiebke Lorenz
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Tim die Elektroden aus der Hand und fange an, sie mir auf
die Haut zu pressen.
    »Vier hatte ich am Kopf«, versuche ich die Anordnung zu
rekonstruieren, »dann an jedem Arm und an jedem Fußgelenk eins.« Ich befestige
die Plättchen so, wie ich mich erinnern kann. »Müßte gehen«, stelle ich dann
fest.
    »Na, dann will ich mal hoffen, daß ich dich nicht aus Versehen
grille.«
    »Das hoffe ich auch«, erwidere ich scherzhaft. Aber so lustig ist
mir gerade nicht zumute. »Wir müssen uns von hinten nach vorne durcharbeiten«,
erkläre ich, »das letzte, was ich habe löschen lassen, muß wieder als erstes in
mein Leben. Und das war mein erstes Mal mit Moritz, bei dem wir erwischt worden
sind.« Tim betrachtet ratlos die CD s. »Nimm doch
einfach die letzte«, schlage ich dann vor. Er öffnet die Hülle und guckt
hinein.
    »Das ist ja komisch«, sagt er und betrachtet stirnrunzelnd das
Booklet.
    »Was ist komisch?«
    »Hier, guck mal.« Er hält mir das kleine Heftchen unter die Nase. Im
Inhaltsverzeichnis steht:
    Track 93: Beim Sex mit Moritz erwischt worden
    Aber wesentlich interessanter ist der Eintrag hinter dem Track.
Dort hat jemand ein kleines Häkchen gemacht und das Wort »verkauft«
geschrieben. Verkauft?
    Wir schieben die CD ein, nachdem wir
mich aber vorsichtshalber von den Elektroden losgemacht haben. Dann drücken wir
auf »Play« und springen bis zu Track 93 vor. Nichts. Die Leinwand bleibt
schwarz.
    »Das verstehe ich nicht«, stellt Tim fest.
    »Ich schon.« Das heißt, ich fürchte, ich verstehe es. Ich springe
einen Track zurück, um zu sehen, ob die CD vielleicht defekt ist. Ist sie nicht. Über die Leinwand flimmert die peinliche
Episode, als ich kurz nach meiner Entjungferung auf einer Schulparty nach
meinem ersten Wodka Lemon kotzen mußte. Das ist also noch da. Verkauft, denke
ich wieder. Isa, dieses miese Stück!
    »Was soll denn das heißen?« will Tim wissen, als ich ihn wütend
durch das Treppenhaus hinter mir her schleife. Nachdem wir alle CD s durchgesehen haben, haben wir genau zwei »verkaufte«
und nicht mehr vorhandene Tracks gefunden: einmal die Geschichte mit Moritz,
und dann das Klassentreffen, bei dem ich in meinem Barbarella-Anzug alle
Anwesenden bepöbelt habe.
    »Das kann ich dir sagen«, stoße ich hervor. »Bei New Life löschen
sie nicht nur Erfahrungen – sie verkaufen auch welche! Und so, wie es aussieht,
haben sich für meine Erlebnisse zwei dankbare Abnehmerinnen gefunden!« Isa und
Moritz, die wir in flagranti in der Garage erwischt haben, Heike, betrunken und
pöbelnd an meinem Geburtstag bei uns zu Hause auf dem Tisch. Daß mir das nicht
vorher klar gewesen ist! Und dann die Visitenkarte, die nicht mehr in meinem
Nachttisch war. Isa muß sie genommen haben! Wahrscheinlich hat sie schon viel
länger ein Verhältnis mit Moritz, als ich ahne. Und hat die Schäferstündchen in
unserem Schlafzimmer dazu genutzt, in aller Ruhe in meinen Sachen rumzuwühlen!
    »Aber warum sollte das jemand tun?« Tim steht immer noch
begriffsstutzig neben mir, als ich hektisch das einsame Taxi, das gerade
vorbeifährt, heranwinke.
    »Scheint wohl Leute zu geben, die halten die Erlebnisse, die ich
unbedingt loswerden wollte, für besonders erstrebenswert.« Tim und ich steigen
in den Wagen.
    »Und was sollen wir jetzt tun?«
    »Ist doch klar!« Ich nenne dem Fahrer eine Adresse. »Wir holen uns
zurück, was mir gehört!«
    Um zwei Uhr zwanzig Uhr klingele ich bei Isa Sturm. Mir
scheißegal. Es dauert eine Weile, bis ihre Wohnungstür geöffnet wird. Aber vor
mir steht keine verstörte Isa. Sondern ein verschlafener Moritz.
    »Charly?« Richtig doof sieht er aus in seinen zerknüllten
Boxershorts. Aber vielleicht ist meine Wahrnehmung auch leicht getrübt, wäre
schon möglich.
    »Wir wollen zu Isa«, sage ich knapp und rausche mit Tim im
Schlepptau an ihm vorbei. Sie kommt uns im Morgenmantel entgegen und sieht
nicht weniger verwundert aus als Moritz.
    »Was willst du hier?« fährt sie mich an und übersieht Tim dabei
geflissentlich.
    »Ich glaube, du weißt es.« Wir starren uns böse an. Dann setzt Isa
ein spöttisches Lächeln auf.
    »Du hast es also herausgefunden?«
    »Sieht so aus.«
    »Isa, was ist denn …«, will Moritz dazwischengehen.
    »Halt die Klappe!« fahren wir ihn alle drei gleichzeitig an.
    »Du hast dich aus meinem Leben bedient«, bringe ich immer noch
wütend hervor.
    »Stimmt«, erwidert Isa.
    »Dazu hattest du kein Recht!«
    »Das stimmt wiederum nicht«,

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