Was - Waere - Wenn
läßt Julie den Motor aufheulen und gibt
Gas.
»Übrigens«, meint Julie, als wir über die Elbchaussee Richtung
Innenstadt fahren, »Moritz ist ein Idiot. Das wollte ich dir schon immer mal
sagen.«
»David auch«, erwidere ich darauf.
»Ich weiß.«
Liebe Charly, morgen wirst du nun also heiraten. Moritz. Alle finden, daß du genau
das Richtige tust. Deine Eltern, deine Freunde, einfach alle. Aber warum ist da
trotzdem dieses Gefühl, daß du alles hast – und doch nichts. Du und Moritz, ihr
paßt doch so gut zusammen, schon seit der Schule bist du in ihn verliebt. Er
war immer der, den alle wollten. Sogar Isa. Und jetzt kriegst du ihn. Aber
bevor du morgen »ja« sagst, solltest du dich heute nacht fragen: Wer bist du
eigentlich? Und wer willst du sein? Und bist du wirklich glücklich?
Wenn zwei sich streiten, freut sich die Dritte. Und das bin in
diesem Fall ich. Nachdem Julie David entsorgt hat, darf ich bei ihr wohnen.
Hätte auch sonst nicht gewußt, wohin. Richtig schön, unsere Zweier- WG , auch wenn Julie von der ganzen New-Life-Geschichte
keine Ahnung hat. Muß ihr ja nicht unbedingt erzählen, daß ich mal ihren
idiotischen Freund vernascht habe, spielt ja im Grunde keine Rolle mehr. Wir
quatschen die Nächte durch wie früher, als wir noch Teenager waren. Hin und
wieder erzählt sie mir dann, wie sehr ich mich mit den Jahren verändert und an
Moritz angepaßt habe. Oft hat sie sich gefragt, ob sie was sagen soll. Hat es
aber bleiben lassen, weil ich doch glücklich war. Glücklich. Ha. Gut, daß ich
der Sache ein Ende bereitet habe und wieder ich selbst sein kann. Zumindest
fast.
Georg ist auch gut untergekommen. Nachdem Moritz sofort meine
Kreditkarte hat sperren lassen, haben sie ihn im Hotel quasi adoptiert, er
macht da jetzt den Nachtportier und unterhält von Mitternacht bis zum frühen
Morgen die Gäste, die von der Bar zu ihm an die Rezeption gespült kommen. Und
unterhalten, das kann er ja.
Ich selbst habe wieder einen Kellnerjob gefunden, eine Kneipe weiter
als meine frühere Wirkungsstätte. Ist zwar nicht das Drinks & More, aber
besser als Arts & Tainment auf alle Fälle. Meine Eltern sind davon zwar
nicht begeistert, aber noch viel weniger begeistert waren sie von Moritz’ und
Isas Spontaneinlage auf meinem Geburtstag. Isa sehe ich übrigens hin und wieder
noch, wenn sie abends aus dem Büro kommt. Sieht immer ziemlich abgekämpft aus,
ist wohl schwierig ohne eine Spitzenkraft wie mich. Und ohne Nora und Wolfgang,
die sind zur Konkurrenz übergelaufen, die den Strumpfhosenetat an Land gezogen
hat. Neulich waren sie sogar ein Bier bei mir trinken und haben sich im
nachhinein für ihr Verhalten entschuldigt. Weil ich eben die beste Freundin der
Chefin war, die sie alle schikaniert hat. Aber das hatte ich ja schon vorher
geahnt. Oder gehofft jedenfalls.
Dafür hat Isa schon wieder einen neuen Mitarbeiter: Moritz. Der ist
nämlich in hohem Bogen rausgeflogen, nachdem Tim davon Wind bekommen hat,
weshalb sie den Auftrag aus Dirks Firma doch nicht bekommen haben. Isas Vater
ist da wohl eher konservativ und sieht sich von einem Consultant, der seine
Tochter vor versammelter Mannschaft in der Garage durchnimmt, nicht besonders
gut beraten. Hat Heike mir jedenfalls erzählt, die hin und wieder bei Julie und
mir vorbeischaut.
Tim. Der Gedanke an ihn tut immer noch weh, und ich vermisse ihn mit
jedem Tag mehr. Manchmal bin ich kurz davor, ihn anzurufen, aber er hat ja mehr
als deutlich gemacht, daß er von mir nichts hören will. Also ist mein Leben
fast wieder so wie vorher. Aber eben nur fast. Ob er trotzdem manchmal an mich
denkt? Und sei es nur an die Verrückte am Strand, die ihm erzählt hat, daß sie
in einem anderen Leben die allerbesten Freunde waren?
»Sag mal, hast du in deinem Leben eigentlich schon mal ein Bier
gezapft?« Harry, mein neuer Chef, steht neben mir und beobachtet kritisch, wie
ich versuche, das Pilsglas vor mir in den Griff zu kriegen.
»Eher getrunken als gezapft«, stelle ich fest und das Pils wieder
weg. Muß am Glas liegen.
»Mädel, Mädel«, brummelt Harry kopfschüttelnd, »wegen dir muß ich
noch auf Flaschenbier umstellen.« Dann trollt er sich wieder in Richtung Gäste,
aber ich weiß ja, daß er es nicht so meint. Keine Ahnung, was heute das Problem
ist. Bin den ganzen Tag schon von der Rolle. Wenn wir nicht in Hamburg wären,
würde ich sagen, es ist Föhn.
»Hat er wieder was zu meckern?« Georg blickt von seiner Zeitung auf
und grinst zu mir
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