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Was - Waere - Wenn

Was - Waere - Wenn

Titel: Was - Waere - Wenn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiebke Lorenz
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Eierschalenstich
würde ich mir noch erlauben, aber mehr auf keinen Fall.
    Vorn in der ersten Reihe steht meine Mutter und heult wie Halle
Berry bei der Oscar-Verleihung. Daneben ist meine Großmutter in einem Alptraum
aus petrolfarbenem Chiffon. Mit Hut! Dann sehe ich die Eltern von Moritz. Haben
sich in den letzten zehn Jahren nicht sonderlich verändert, sehen immer noch
aus wie aus dem Denver Clan. Hatten die nicht mal gesagt, ich wäre nicht gut
genug für ihren Sohn? In diesem Augenblick strahlen sie mich an, als wäre ich
Lady Di. Oder lieber Mette Marit, möchte ungern in einem Tunnel enden.
    Vorne neben dem Altar springt mein Großvater mit einer Videokamera
herum, auch er hat sich für den feierlichen Anlaß extra einen Smoking angezogen.
Als ich an der zweiten Reihe vorübergehe und nach links blinzele, entdecke ich
Isabell, Heike, Babette und Dirk. Na prima, ausgerechnet die müssen auf meiner
Hochzeit sein! Aber wenigstens ein paar Gesichter, die mir bekannt sind, den
Großteil der Leute, die ich durch meinen Schleier hindurch schemenhaft
wahrnehme, habe ich in meinem Leben noch nie gesehen. Auch nicht verschwommen.
Schätze, es wird anstrengend werden, all meine langjährigen Freunde
kennenzulernen!
    Als ich an meinen Ex-Mitschülern vorbei bin, sehe ich aus den
Augenwinkeln, wie Isabell und Dirk aufstehen, mir nachgehen und sich auf zwei
Stühle links und rechts vom Altar setzen. Das kann nur eins bedeuten: Die
beiden sind unsere Trauzeugen. Hat sich denn da niemand Besseres gefunden?
Andererseits sollte ich mich freuen. Denn eins ist klar: So grimmig wie Isabell
in einem unbeobachteten Moment aussieht, ist das sicher nicht der schönste Tag
ihres Lebens!
    Ich werde von meinem Vater an Moritz übergeben. Er läßt ein
theatralisches »Paß gut auf meine Kleine auf!« verlauten, dann setzt er sich zu
meiner Mutter und wird von ihr mit Tempotaschentüchern versorgt. Der Pfarrer
deutet auf die mit rotem Samt bezogenen Stühle. Wir nehmen Platz, dann beginnt
die Trauung.
    Ganz interessant, was ich da über Moritz und meine Geschichte zu
hören bekomme. Daß wir seit der Schule ein Paar sind, wußte ich ja schon, aber
es geht weiter: Vor drei Jahren sind wir zusammen in das Haus von Moritz
verstorbenen Großeltern gezogen. Uns verbindet unsere große Leidenschaft für den
Winter-, den Golf- und den Segelsport, wir haben ein Boot auf der Alster. Das
könnte ein Problem werden, denn der einzige Wintersport, dem ich jemals
nachgegangen bin, ist Tee mit Rum. Und was das Segeln betrifft, bin ich mir
nicht sicher, ob meine Tretbooterfahrung mir da in irgendeiner Weise behilflich
sein könnte. In Sachen Golf bin ich zuversichtlich: Mit einem eisernen Schläger
auf einen kleinen Ball eindreschen, das kriege ich hin! Den Heiratsantrag hat
Moritz mir übrigens auf dem Tafelberg in Südafrika gemacht, das war letztes
Jahr im Oktober.
    Nachdem der Pfarrer mit seiner Geschichte fertig ist, geht mir
einiges auf: Moritz und ich sind ein richtiges Jet-Set-Pärchen. Segeln, Golfen,
Haus an der Elbe, Südafrika und tralala, eigentlich genau die Sorte von Leuten,
die ich bis vor kurzem noch extrem ätzend fand. Neid? Auf einmal muß ich
feststellen, daß ich selbst ganz gut mit eigenem Haus und tollen Reisen leben
kann, finde ich gar nicht sooo schlimm, die Vorstellung. Und ansonsten ärgere
ich mich darüber, daß ich beim Tafelberg noch nicht mit dabei war, wann komme
ich wohl wieder nach Südafrika?
    Der Pfarrer fordert uns auf, uns hinzuknien. Ich lasse mich auf das
rote Samtpolster sinken und neige wie bei meiner Enthauptung den Kopf nach
unten. Und so ähnlich fühle ich mich plötzlich gerade, jeden Moment wird der
Stab über mir zerbrochen, dann saust das Fallbeil nieder. Darf ich noch was
sagen?
    »Willst du …«, beginnt er. Jetzt wird es also ernst. Ich spüre Panik
in mir aufsteigen, bete mir innerlich immer wieder vor, daß Moritz und ich doch
schon längst verheiratet sind. Auch wenn es sich noch gar nicht so anfühlt. Wie
sollte es auch, mir fehlt ja die komplette Vorgeschichte! »Charlotta Maybach«,
spricht der Pfarrer ungerührt weiter, »den hier anwesenden Moritz Karl Gustav
Lichtenberg zu deinem angetrauten Ehemann nehmen? Willst du ihn lieben und
ehren und zu ihm halten, in guten wie in schlechten Zeiten, bis daß der Tod
euch scheidet?« Ich blinzele unter meinem Schleier hindurch zu Moritz hinüber.
Er blinzelt zurück.
    Mein Gott, der Mann ist ein Fremder für mich! Ich kann doch nicht
versprechen,

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