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Was - Waere - Wenn

Was - Waere - Wenn

Titel: Was - Waere - Wenn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiebke Lorenz
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meinem persönlichen Horizont zusammen, ich habe nicht die geringste Lust,
diesen Penner zu sehen.
    »David!« Julie hat ihn entdeckt und winkt ihn heran. Ob es wohl arg
unhöflich ist, wenn ich mich jetzt einfach wortlos umdrehe und gehe?
Wahrscheinlich schon, also setze ich mein schönstes Allerweltslächeln auf.
    »Charly!« Er kommt auf mich zugestampft, distanziert strecke ich ihm
die Hand hin. Er übersieht sie, reißt mich an sich und überschüttet mich mit
feuchten Küssen. Ich verziehe angewidert das Gesicht, aber dann fällt mir ein,
daß Julie direkt neben uns steht, also ziehe ich die Mundwinkel wieder brav
nach oben. David läßt gar nicht mehr von mir ab. Spüre ich da etwa seine Hand
auf meinem Hintern? So freundlich wie möglich mache ich mich von ihm los,
obwohl ich ihm am liebsten eine auf die Griffel geben würde. Mit dem war ich
mal in der Kiste? Wie unzurechnungsfähig muß ich denn da gewesen sein?
    »Toll siehst du aus!« stellt David fest, nimmt mich bei einer Hand
und dreht mich mit einer schnellen Bewegung zu einer Pirouette. Weil ich nicht
damit gerechnet habe, gehe ich fast zu Boden.
    »Ob ich wohl auf unserer Hochzeit genau so hübsch aussehen werde?«
fragt Julie ihn, und ich wundere mich sehr über den unsicheren Tonfall, den
diese sonst so toughe und tolle Frau auf einmal anschlägt. Also bitte, Julie,
würde ich in diesem Moment am liebsten sagen, David kann froh sein, wenn jemand
wie du ihn aus Versehen über den Haufen fährt, wenn er vor dir über die Straße
geht!
    »Natürlich, meine Süße.« David legt seinen Arm um sie. »Du wirst
einfach spitzenmäßig aussehen.« Während er das zu ihr sagt, zwinkert er mir zu.
»So, ich geh dann mal zum Bräutigam«, meint er dann und befreit die Luft um
mich von seiner Anwesenheit.
    »Ach, Charly«, seufzt Julie und blickt David verzückt nach, »ich bin
so glücklich, daß wir beide den Richtigen gefunden haben.« Den Richtigen? Am
liebsten würde ich ihr sagen, was David für einer ist, und daß er sie
unglücklich machen wird. Daß sie zu schade für ihn ist und sie ihn lieber heute
als morgen verlassen sollte. Aber statt dessen schweige ich und lächle sie nur
seelenvoll an. Wenn Julie glücklich ist, habe ich kein Recht, ihr das kaputt zu
machen, auch als gute Freundin nicht. Und wer weiß – schließlich habe ich mich
durch die Geschehnisse verändert, warum sollte das bei David nicht auch der
Fall sein? In meiner gegenwärtigen Situation halte ich nichts mehr für
unmöglich.
    Ich lege meinen Arm um Julie und spaziere mit ihr zu meinen Eltern,
die ihr sicher auch noch Guten Tag sagen wollen. Auf dem Weg dahin kommen wir
an Moritz vorbei, der mir eine Kußhand zuwirft und mit den Lippen ein »Ich
liebe dich« formt. Ich hoffe, daß Julie mit ihrem David so glücklich wird, wie
ich es heute mit Moritz bin. Sehr glücklich.

7. Kapitel
    Wir sind dekadent. Moritz und ich verprassen für unsere
kleine, beschauliche Hochzeitsfeier das Bruttoinlandsprodukt der EU inklusive Beitrittskandidaten. Großartig! Wir feiern
auf der Sonnenterasse unseres Segelclubs direkt an der Alster, nur ausgewählte
Mitglieder dürfen überhaupt einen Fuß auf die heiligen Marmorplatten setzen.
Die Eingangstür ist durch einen Zahlencode gesichert, den wir im
Stille-Post-Verfahren unter der Hochzeitsgesellschaft verbreitet haben. Unten
im Club ist noch ein öffentliches Café, das als Auffangbecken für
Hörgeräteträger und Opfer von Zahlendrehern dient. Schade, daß David
offensichtlich zu keiner der beiden Gruppen zählt. Als wir ankommen, ist er
schon da, sitzt mit orangefarbener Sonnenbrille und selbstzufrieden lächelnd
auf einer Liege, blickt auf die Alster und süffelt an einem
Champagner-Cocktail.
    »Wo hast du denn Julie gelassen?« will ich wissen. Noch schnell vom
Kirchturm gestoßen? In der Alster versenkt? Gib ihm eine Chance, erinnere ich
mich, er ist vielleicht gar nicht so, wie du denkst.
    »Die sucht noch einen Parkplatz, ist ja tierisch was los da unten.«
Er dreht sich halb Richtung Straße, als wolle er nach ihr sehen.
    »Finde ich schön, daß ihr eine so emanzipierte Beziehung habt«,
stelle ich bissig fest.
    »Da liegst du falsch – ich habe nur keinen Führerschein.« Scheiße,
hat der auch noch eine gute Ausrede. Egal. Ich werde ihn trotzdem hassen, Unvoreingenommenheit liegt mir nicht. Es ist meine Hochzeit, da darf ich auch bestimmen, welchen Gast ich mag und welchen nicht!
Außerdem: Wann hat mich mein Gefühl schon jemals

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