Was - Waere - Wenn
getrogen? In diesem Moment
sehe ich zu Moritz hinüber, der zusammen mit seinem Vater die Geschenke auf
einen großen Tisch räumt. Na gut, aber der Reinfall mit Moritz war in meinem
alten Leben. In meinem neuen scheine ich allen Grund zu haben, ihn zu lieben.
Nachdem der Vereinsvorsitzende des SUYCA – Segel- und Yachtclub an der Alster – Moritz und mir vor versammelter
Mannschaft ausgiebig gehuldigt hat und dabei ein paar schiefe Metaphern über
das Segeln, den Ehehafen und den Lebensfluß losgeworden ist, sitzen wir eine
halbe Stunde später am Kopfende einer großen Tafel und eröffnen die Spiele. Alles
nur vom Feinsten, eilfertige Dienstboten reichen edle Getränke, im Hintergrund
zupft dezent eine Jazzband, das Hochzeitsmenü liest sich wie die Untertitel
eines französischen Experimentalfilms. Eigentlich müßte jeden Moment Pierce
Brosnan mit einem Fallschirm gelandet kommen und eine Schachtel Rocher
vorbeibringen, vielleicht kreist aber statt dessen auch gleich ein
Wasserflugzeug über uns und bewirft uns mit Raffaelo.
Noch immer habe ich das irre Gefühl, überhaupt nicht hierher zu
gehören, fühlt sich an wie Achterbahnfahren. Emotional gesehen geht es in mir
im Nano-Sekundentakt auf und ab. Den einen Moment möchte ich am liebsten
abhauen, im nächsten in einer großangelegten Massenhochzeit alle hier
Anwesenden ehelichen. Außer David, versteht sich. Wenn ich es nicht besser
wüßte, würde ich denken, ich hätte etwas genommen.
Apropos, ich brauche dringend etwas, um meine Nerven zu beruhigen,
sonst laufe ich doch noch Amok. Und das wäre ja nicht so schön. Da fällt mir
ein: Ich rauche ja. Meine erste Kippe habe ich jedenfalls nicht löschen lassen.
Das hatte ich vor lauter Schreck doch glatt vergessen, habe bestimmt schon seit
ein paar Stunden keine Zigarette mehr in der Hand gehabt. Kein Wunder, daß ich
im Kopf so duselig bin.
»Entschuldigung, hätten Sie wohl eine Zigarette für mich?« frage ich
einen vorübereilenden Ober, der untertänig nickt. Wie praktisch, daß man hier
alles bestellen kann. Eine Minute später kommt er zurück und stellt mir einen
kleinen Teller mit einer geöffneten Zigarettenschachtel hin. Erleichtert greife
ich danach und pule eine Kippe heraus, das wird aber auch langsam Zeit.
»Was machst du denn da?« will mein frisch Vermählter wissen. »Du
rauchst doch gar nicht«, stellt er dann fest.
»Tue ich nicht?«
»Nein, Schatz, bestimmt seit zehn Jahren nicht mehr.« Enttäuscht
mache ich die Schachtel wieder zu. Ich rauche also nicht mehr. Auch das noch.
Ist ja möglich, daß mein Körper nicht mehr abhängig ist, aber meine Seele
schreit nach Nikotin! Aber gut, ich wollte ohnehin schon ewig aufhören, jetzt
scheint ein guter Zeitpunkt dafür zu sein. Muß mir nur noch dieses Buch von
Allen Carr besorgen, damit hat Julie auch aufgehört. Obwohl sie immer behauptet
hat, daß sie trotz des Buches aufgehört hat – und
nicht wegen .
»Nehmen Sie Rot- oder Weißwein?« will einer der Kellner wissen und
hält uns fragend zwei Flaschen hin.
»Meine Frau trinkt nicht«, werde ich zum zweiten Mal innerhalb von
dreißig Sekunden von Moritz entmündigt. »Aber mir können Sie einen Schluck von
dem Weißen geben.«
»Und ich nehme ein Bier, vom Faß. Und ich kann außerdem sehr gut für
mich selbst reden, auch wenn man mir das auf Anhieb gar nicht zutrauen würde«,
zicke ich Moritz an. Der Kellner trollt sich grinsend, um das Gewünschte
heranzutragen. Während er sich entfernt, höre ich ihn irgend etwas murmeln wie:
»Kaum verheiratet, schon hat die Alte Haare auf den Zähnen.«
»Mußte das sein? Mich vor dem Kellner so anzufahren?« fragt Moritz
und wirkt dabei richtig gekränkt.
»Klassendünkel?«
»Nein«, antwortet er, »verletzte männliche Eitelkeit.« Dann lächelt
er wieder. »Kann ja verstehen, wenn du heute zur Feier des Tages mal eine
Ausnahme machen willst.« Ausnahme? Im Geiste formuliere ich eine Liste meiner
Vorlieben und Angewohnheiten, an die ich Moritz so schnell wie möglich gewöhnen
muß. Die wird sekündlich länger, damit wird sich mein Angetrauter abfinden
müssen. Das mit dem Rauchen geht ja noch in Ordnung. Aber soll ich in Zukunft
allen Ernstes nur noch an Perrier mit Zitronenscheibe nuckeln?
Der Ober bringt mir mein Bier, was von den erstaunten Blicken meiner
frischgebackenen Schwiegereltern verfolgt wird. Ich hebe mein Glas und proste
ihnen lächelnd zu. Wenn die jetzt bei jedem Bier, das ich mir bestelle,
zusammenzucken, werden
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