Was - Waere - Wenn
Oder vom Standesamt gerechnet der zehnte,
kannst du dir aussuchen.«
»Dann nehme ich beide!« Gespannt reiße ich das Papier auf, zum
Vorschein kommt ein Karton von genau der Boutique, in der ich vorgestern war.
»Was ist das?« will ich wissen.
»Mach’s doch einfach auf!«
Fast zittern mir die Hände, als ich den Deckel hochhebe und das
gelbe, zarte Seidenpapier aufklappe. Ich kann es kaum fassen: das grüne Kleid!
Was ich nicht kaufen wollte, weil es so teuer war. Ich nehme es heraus und
halte es fassungslos vor mich.
»Woher hast du gewußt …« Moritz grinst stolz, als er sieht, wie sehr
ich mich darüber freue.
»Ich war heute nachmittag in deinem Lieblingsladen«, erklärt er.
»Und da hat mir die Verkäuferin erzählt, daß du vorgestern eine halbe Stunde um
dieses Kleid geschlichen bist. Dachte mir, damit mache ich dir eine Freude.«
»Eine Freude?« Ich muß ihn noch einmal umarmen, meinen wundervollen
Ehemann. »Aber das Teil ist doch wahnsinnig teuer gewesen!«
»Weißt du denn nicht«, sagt Moritz und fängt ganz langsam an, meine
Bluse aufzuknöpfen, »daß du mir alles wert bist?« Nein. Das wußte ich bisher
noch nicht. Daß ich jemandem alles wert sein könnte. Wo ich mir selbst doch oft
genug nichts wert gewesen bin. Ich lasse mich von Moritz zum Sofa rüberziehen,
schmiege mich an ihn, küsse ihn an allen erdenklichen Stellen, treibe mit ihm
fort. Auf Stufe fünfzehn meiner Skala und darüber hinaus.
Als wir schließlich erschöpft einschlafen, habe ich nur noch einen
Gedanken: Ja, es hat sich gelohnt. Für dieses Gefühl, von ihm so sehr geliebt
und gewollt zu werden, hat sich alles gelohnt. Auch, wenn’s mir für St. Pauli
wirklich leid tut.
Am nächsten Morgen werde ich von dem Duft nach frischem Kaffee
geweckt. Als ich die Augen aufschlage, entdecke ich auf dem Couchtisch neben
mir ein Tablett mit frischem Orangensaft, Croissants, Marmelade … Alles da für
ein gemütliches Frühstück am Samstagmorgen. Alles – bis auf Moritz. Ich liege
allein auf dem Sofa, zugedeckt von dem grünen Kleid. Im Aufstehen hangele ich
nach einem Croissant, ziehe mir Moritz’ Hemd über und mache mich auf die Suche.
»Moritz?« Ich laufe durchs ganze Haus, kann ihn aber nirgends
finden. Wo steckt er nur? Die Uhr zeigt elf, wo kann er hin sein? Schnell
steige ich in meine Jeans und sehe in der Garage nach. Sein Wagen ist da, also
kann er nicht weit sein. Immer noch habe ich dieses wohlige Gefühl von letzter
Nacht im Bauch, am liebsten würde ich durchs Haus tanzen und singen. Warum
eigentlich nicht? Kann doch machen, was ich will!
Vor dem CD -Regal muß ich nicht lange
suchen, natürlich lege ich Grönemeyer ein. Während »Demo« läuft, suche ich weiter.
Erst nach dem dritten Gang durchs Haus sehe ich, daß die Tür zum Vorgarten
offensteht. Bin wohl blind. Blind vor Liebe, denke ich kichernd.
Da entdecke ich meinen Mann, wie er am Strand entlang aufs Haus
zugejoggt kommt. Fast packt mich das schlechte Gewissen. Laufe ich sonst
morgens mit ihm? Hoffentlich nicht, bei meinem Fitneßstand ist es
unwahrscheinlich, daß ich bei dem muskulösen Mann mithalten kann, der da
draußen gerade Kniebeugen macht. Oder ist mein neuer Körper doch ganz fit? Ich
beobachte Moritz weiter, drehe die Musik noch lauter. Wahrscheinlich kann er
sie trotzdem nicht hören, dabei würde ich sie jetzt gern mit ihm teilen.
Mir kommt eine Idee. Schnell krame ich meinen Discman aus der Tasche
im Flur, lege die Grönemeyer- CD rein und ab an den
Strand. Moritz hat mir den Rücken zugedreht. So leise es geht, pirsche ich mich
an ihn heran. Tatsächlich hört er mich nicht, bis ich ganz dicht hinter ihm
stehe. Dann nehme ich die Kopfhörer und setze sie ihm auf.
Du bist mein siebter Sinn!
Ruckartig dreht Moritz sich um und sieht mich entsetzt an.
»Was soll das denn?« blökt er mich an und reißt sich die Kopfhörer
herunter. Nicht ganz die Reaktion, die ich erwartet hatte.
»Ich wollte dich überraschen«, sage ich enttäuscht.
»Das ist dir gelungen! Ich hätte fast einen Herzinfarkt bekommen.«
»Tut mir leid, aber hör doch mal!« Ich nehme ihm die Kopfhörer aus
der Hand und setze sie ihm wieder auf. Moritz lauscht ein, zwei Sekunden, dann
nimmt er sie wieder ab.
»Was ist das?«
»Grönemeyer«, erwidere ich kleinlaut. Moritz verzieht das Gesicht.
»Den kann ich nicht leiden.«
»Ja, aber es geht doch um … hör doch mal auf den Text!« Menno! Mach
doch mal!
»Komm, Charlotta«, sagt er, nimmt mich bei
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