Was - Waere - Wenn
würde
es ja auch nicht glauben, wenn mir ein wildfremder Mann erzählen würde, daß wir
eigentlich seit Jahren dicke Freunde sind, er nur mal eben schwuppdiwupp sein
Leben geändert und mich damit aus selbigem eliminiert hat. Tim sieht mich
abwartend an. Immerhin, er geht nicht sofort, irgend etwas hält ihn. Wenn mir
doch bloß etwas Überzeugendes einfallen würde!
Dann kommt mir ein Gedanke: »Woher hätte ich denn sonst das mit der
Zahnlücke wissen sollen?«
»Sie sagten doch, daß Sie mal ein Foto von mir gesehen haben.«
Herrgott noch mal, der Mann macht mich fertig!
»Das habe ich doch nur gesagt, weil ich es in der Situation nicht
anders erklären konnte! Bei Moritz und Ihrer Frau wäre das doch wohl etwas
komisch angekommen.«
»Nicht nur bei denen.«
»Bitte! Bitte glaub mir doch!«
»Na gut.« Tim zieht hektisch an seiner Kippe. »Dann nehmen wir jetzt
von mir aus an, daß es wahr ist: Dann leben Sie jetzt Ihr Leben und ich meins,
und alles ist wunderbar. Was wollen Sie da noch von mir?« Was soll ich denn
darauf antworten?
»Ich vermisse dich«, bringe ich schließlich stockend hervor und sehe
zu Boden, »als Freund. Du fehlst mir, ich habe niemanden, mit dem ich richtig
reden kann.« Als ich wieder aufblicke, betrachtet Tim mich spöttisch.
»Ach«, gibt er dann schmunzelnd von sich, »das ist jetzt aber schon
ganz rührend.«
»Mach dich nicht lustig über mich.«
»Das tue ich nicht. Ganz im Gegenteil, so lustig finde ich das hier
nicht.«
»Was kann ich denn noch sagen, damit du mir glaubst?« Ich bin noch
nicht bereit aufzugeben. Auch, wenn er jetzt so abweisend tut, irgendwo da drin
steckt der Tim, der mich versteht und der mir glauben wird.
»War’s das jetzt?« Sein Lächeln ist mittlerweile in offene
Zurückweisung umgeschlagen. Er macht einfach dicht, ich komme nicht an ihn ran.
Gleich wird er mich einfach stehen lassen.
»Warte!« Beeil dich, Charly, dir muß was einfallen! Aber was nur?
»Worauf?« Tim wirkt genervt. Was nur, was nur, was? Ich hab’s!
»Heute!« platzt es aus mir heraus.
»Heute?« Tim sieht mich verständnislos an. Ich nicke aufgeregt und
versuche, meine wirren Gedanken zu ordnen. Hoffentlich kriege ich das noch
zusammen.
»Du hast mal gesagt: Nur das Heute ist wichtig. Nicht das Gestern
und nicht das Morgen, alles, was zählt, ist das Heute.« So ungefähr jedenfalls
war das. Tim wirkt nachdenklich, und ich bete, daß ich ihn damit überzeugt
habe.
»Klingt gut«, sagt er nach einer Weile, und mein Herz macht einen
kleinen Hüpfer. »Ist aber leider nicht von mir.«
»Doch!« widerspreche ich ihm. »Natürlich ist das von dir! Du hast es
selbst mal zu mir gesagt.« Tim seufzt und schüttelt den Kopf.
»Ich kenne Sie nicht«, wiederholt er. »Und ich habe das auch nie zu
Ihnen gesagt! Ich glaube, Sie sollten sich professionelle Hilfe suchen, ich
kann jedenfalls nichts für Sie tun.« Er läßt seine Zigarette auf den Boden
fallen und tritt sie energisch aus. Fühlt sich an, als würde er gerade auf mir
herumtrampeln. Aber er hat ja recht. Natürlich hat er das nie zu mir gesagt.
Jedenfalls nicht in seinem jetzigen Leben, da kennen wir uns ja gar nicht. Und
weil wir uns nicht kennen, haben wir uns auch nie über das Glück und das Heute
und all die Dinge, die mir so wichtig sind, unterhalten. Ich merke, wie mir die
Tränen hochsteigen.
»Es tut mir leid«, sage ich leise. Ich schäme mich ein bißchen, weil
mir klar ist, daß Tim mich für nicht ganz zurechnungsfähig halten muß.
»Mir tut es auch leid«, erwidert er, und ich glaube sogar, daß er es
ernst meint. Auch wenn er wahrscheinlich gar nicht weiß, warum. »Na dann.« Tim zuckt
etwas unbeholfen mit den Schultern und wendet sich zum Gehen. Ich kann nichts
weiter tun, als ihm nachsehen, wie er wieder aus meinem Leben verschwindet.
Langsam stapft er durch den Sand zurück Richtung Straße. Jetzt fließen mir
tatsächlich ein paar dicke Tränen übers Gesicht. Trotzig wische ich sie weg,
ich will nicht heulen!
Wie habe ich es nur so weit kommen lassen können? Warum bin ich zu
New Life gegangen und habe alles kaputtgemacht? Jetzt ist keiner mehr
glücklich. Ich nicht. Und Tim auch nicht. Ich bin schuld daran, daß er wieder
das Leben führen muß, das er nicht mehr wollte. Ich bin – auf einmal weiß ich
es! Warum ist mir das nicht früher eingefallen?
»Moment!« rufe ich Tim nach und laufe hinter ihm her. Er bleibt
stehen und dreht sich zu mir um.
»Was denn noch?«
»Du bist nicht
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