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Was - Waere - Wenn

Was - Waere - Wenn

Titel: Was - Waere - Wenn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiebke Lorenz
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meine hilflose Stammelei,
» jetzt kennen wir uns auf jeden Fall.« Er reicht mir
seine Hand. »Angenehm, Rademacher.« Rademacher? Ach, egal! Dankbar ergreife ich
seine Hand. »Und das ist meine Frau Andrea.« Auch ihre Hand schüttele ich brav,
obwohl sie im Moment eher so aussieht, als würde sie sie mir am liebsten
abbeißen.
    »Tja«, Moritz lacht angespannt, »nachdem wir uns nun alle
miteinander bekannt gemacht haben, können wir uns ja zu Tisch begeben, nicht
wahr?« Während wir zur Tafel schreiten, wirft er mir noch einen warnenden Blick
zu.
    Bei der Hauptspeise haben wir uns alle so weit von meinem kleinen
Auftritt erholt, daß wir eine Art normales Gespräch führen können. Soweit es
unter diesen Umständen überhaupt möglich ist. Andrea Rademacher guckt immer
noch etwas pikiert, und mir ist das alles so peinlich, daß ich mich am liebsten
zusammen mit der Servicekraft in der Küche verstecken würde. Tim scheint der
einzige zu sein, der sich hier amüsiert. Paßt zu ihm, der war ja schon immer
ein Sonnenschein.
    »Erzählen Sie doch mal«, fordere ich ihn irgendwann auf, als ich
mich außer Lebensgefahr wähne, »wie Sie in die Firma meines Mannes gekommen
sind.«
    »Das ist eine lange Geschichte«, antwortet er.
    »Wir haben ja Zeit«, kommt Moritz mir unabsichtlich zur Hilfe. Er
ahnt nicht, daß ich hoffe, mehr über Tims Vergangenheit zu erfahren.
    »Tja, wo soll ich anfangen?« will Tim wissen. Am besten dort, wo
sich dein ganzes Leben geändert hat, würde ich am liebsten sagen. Als du
beschlossen hast, das Drinks & More aufzugeben, wieder einen auf
Unternehmensberater zu machen und diese komische Tante namens Andrea zu
heiraten. Sorry, vielleicht ist sie ja ganz nett.
    »Am Anfang«, sage ich statt dessen brav, während ich allen noch
einmal Wein nachschenke.
    »Eigentlich teilt sich mein Leben in zwei, nein, in drei
Abschnitte.«
    »Aha? Interessant.« Moritz ist ein großartiger Schmeichler, das muß
ich zugeben.
    »Zuerst ging bei mir alles ziemlich nahtlos: Jurastudium, Promotion,
dann mein erster Job bei einer Unternehmensberatung, in der ich ziemlich
schnell aufstieg.«
    »Kann ich mir vorstellen«, wirft Moritz ein. Gleich bleibt er vor
lauter Schleimerei an seinem Stuhl kleben!
    »Und eines Tages passierte etwas Komisches: Ich hatte keine Lust
mehr. Ich warf alles hin und machte eine kleine Kneipe auf. Eine Art
Studentencafé in Ottensen.« Das Drinks & More, würde ich gern einwerfen,
aber ich lasse es. Besser, ich verhalte mich so unauffällig wie möglich. »Weil
der Laden relativ schnell gut lief und ich es allein nicht mehr schaffte,
suchte ich eine Aushilfe. Und auf den Zettel, den ich im Fenster ausgehängt
hatte, meldete sich meine heutige Frau Andrea.« An dieser Stelle nimmt er ihre
Hand und küßt sie.
    »Für mich war das damals nur ein Nebenjob, um mir das Studium zu
finanzieren«, wirft sie ein.
    »Wann war denn das?« möchte ich wissen.
    Tim denkt einen Moment nach. »Das müßte im Sommer vor gut sieben
Jahren gewesen sein.« Bingo! Vor genau sieben Jahren hab ich im Drinks &
More angefangen. In meinem alten Leben. Im neuen hab ich offensichtlich mein
Studium durchgezogen, und deshalb hat sich statt dessen Andrea auf den Aushang
gemeldet.
    »Ich habe damals gleich gedacht: Warum vergeudet Tim sein Talent und
seine Ausbildung als Kneipier, aber gut …« Andrea verdreht in gespieltem
Unverständnis die Augen.
    »Aber dann haben wir uns irgendwann ineinander verliebt. Und vor
drei Jahren hat Andrea mich dann überzeugt, daß ich meinem alten Beruf noch
einmal eine Chance geben sollte.« Überzeugt? Überredet ja wohl eher! Klappe
halten, Charly!
    »Letztes Jahr haben wir geheiratet«, erzählt Andrea die Geschichte
zu Ende. »Tim hat dabei sogar meinen Namen angenommen.«
    »Kramer ist ja nun wirklich nichts, woran man besonders hängt.«
Doch. Ich habe daran gehangen. An Tim Kramer. Mit Zahnlücke und seinem Drinks
& More. Aber wenigstens erklärt das, warum ich ihn nicht habe finden
können. Er hat seinen Nachnamen geändert. Was ist eigentlich mit den Männern
los, nehmen die jetzt alle den Nachnamen ihrer Frauen an? Alle, bis auf Moritz.
    Tim handelt noch die Stationen bis zum heutigen Stand der Dinge ab,
aber ich höre schon gar nicht mehr richtig zu. Ich bin auf einmal traurig.
Traurig darüber, daß mein Tim mich nicht mehr kennt. Daß er jetzt verheiratet
ist und ein Leben lebt, das er doch nie gewollt hat. Und er weiß es nicht
einmal. Er weiß nicht mal,

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