Was will man mehr (German Edition)
prompt. «Mir ist kalt.»
«Zwei», ergänzt Schamski.
«Wir haben keinen Schnaps», erwidert die Bedienung.
«Braucht man denn keinen Schnaps, um einen ordentlichen englischen Weihnachtskuchen zu backen?», will Schamski wissen.
«Offiziell haben wir keinen Schnaps», präzisiert die Bedienung.
«Dann bringen Sie uns doch zwei inoffizielle», schlage ich vor.
«Dann nehme ich mir aber auch einen und setze den offiziell auf die Rechnung», kontert die Bedienung.
«Einverstanden», nickt Schamski. «Dann machen Sie uns aber gleich Doppelte. Wir haben jetzt schon genug Zeit mit Diskutieren vertan.»
Der Schnaps tut gut.
«Wir hätten den Tee gleich weglassen sollen», stellt Schamski fest.
«Lenk nicht ab», sage ich. «Wir wollten über deine Ängste sprechen.»
«Ist nicht spektakulär», winkt Schamski ab. «Ich hab mir kürzlich mal überlegt, dass ich schon mehrfach Vater sein könnte. Andere Leute heiraten nur ein einziges Mal und haben zwei oder drei Kinder. So gesehen könnte ich problemlos fünf- oder sechsfacher Vater sein.»
«Und macht dir das jetzt Angst, oder willst du nur angeben?», frage ich.
«Weder noch», erwidert Schamski. «Ich hab mir überlegt, dass ich vielleicht deshalb noch nicht Vater bin, weil ich bislang nicht die richtige Frau getroffen habe. Sonst hätte ja auch zumindest eine meiner Ehen gehalten.»
«Wenn das hier länger dauert, bestell ich mir noch ’n Schnaps», sage ich.
«Für mich auch einen», erwidert Schamski ungerührt. «Jedenfalls habe ich jetzt die richtige Frau getroffen. Wir lieben uns. Und wir wollen beide ein Kind. Eigentlich ist also alles bestens.»
«Aber?», frage ich. Ich habe keine Ahnung, worauf er hinauswill.
«Melissa ist deutlich über vierzig. Die Chancen, dass sie in ihrem Alter schwanger wird, sind nicht sehr hoch, sagen die Ärzte.»
«Wie hoch sind sie denn?», frage ich.
Schamski verzieht ein wenig das Gesicht. «Sagen wir, es ist wesentlich wahrscheinlicher, dass an Silvester Ufos über dem Eiffelturm kreisen.»
Die Bedienung stellt zwei Schnäpse auf den Tisch.
«Du hast also Angst davor, dass es zu spät sein könnte.»
Schamski wiegt skeptisch den Kopf hin und her. «Das auch. Ich habe aber fast noch mehr Angst davor, in zehn oder fünfzehn Jahren wehmütig zurückzuschauen und mir zu wünschen, ich hätte alles anders gemacht.»
Das klingt bedenklich. «Soll das etwa heißen, du hast überlegt, Melissa zu verlassen?», frage ich ungläubig.
Schamski sieht mich an. Dann nickt er langsam. «Ja, das habe ich wirklich.
Aber keine Sorge, es ist definitiv keine Option. Ich liebe Melissa. Ich glaube sogar, dass sie die Frau meines Lebens ist. Andererseits weiß ich inzwischen, dass ich gern Vater wäre. Und diesen Plan müsste ich begraben, falls Melissa keine Kinder mehr kriegen kann.» Er zuckt hilflos mit den Schultern und fügt hinzu: «Aber das wäre dann eben einfach so.»
«Bestimmt stellt sie die gleichen Überlegungen an», werfe ich ein.
«Sicher», erwidert Schamski. «Es gibt allerdings einen wesentlichen Unterschied. Melissa kann nicht wählen. Bei ihr wird die Biologie früher oder später einfach Fakten schaffen, während ich zumindest theoretisch mit einer anderen Frau Kinder haben könnte, und das wahrscheinlich auch noch in zehn oder fünfzehn Jahren.»
«Und davor hat Melissa wiederum Angst», vermute ich.
Schamski nickt. «Ich allerdings auch. Vielleicht denkt Melissa eines Tages, dass sie meinem Glück im Weg steht, weil wir keine Kinder bekommen können. Vielleicht verlässt sie mich dann sogar, um nicht der Grund meines Unglücks sein.»
«Wow», sage ich. «Und mit diesem ganzen Schwachsinn im Hinterkopf steigt ihr beide zusammen in die Kiste? Kein Wunder, dass sie nicht schwanger wird. Eigentlich sogar erstaunlich, dass zwischen euch beiden überhaupt irgendwas läuft.»
Schamski wirft mir einen ungnädigen Blick zu. «Du bist eine ziemlich unsensible Arschnase, Paul. Hat dir das eigentlich schon mal jemand gesagt?»
«Ja», erwidere ich prompt. «Schon öfter. Wenn es irgendwann mal einen Walk of Fame für unsensible Arschnasen gibt, dann werde wahrscheinlich ich meinen Hintern als Erster in den Zement drücken. Aber das ändert im Moment nichts daran, dass ich recht habe, Guido.»
Schamski sieht mich an, und ich kann in seinen Augen lesen, dass er mir sehr gern widersprechen würde. Doch ihm fehlen die Argumente.
«Was schlägst du vor?», fragt er nach einem kurzen Schweigen.
«Wenn du
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