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Was will man mehr (German Edition)

Was will man mehr (German Edition)

Titel: Was will man mehr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Rath
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auch der erwartete Servierwagen nebst einer sichtlich verunsicherten Hotelangestellten auf.
    Ich erwäge so etwas zu sagen wie: Es ist nicht so, wie ihr denkt. Aber Melissa kommt mir zuvor. Sie sagt nur ein einziges Wort. Es ist ein ebenso empörter wie entsetzter Aufschrei: «Mutter!?»

[zur Inhaltsübersicht]
    Ich bin nur der Laufbursche
    «Geschlagene zwei Monate ist es jetzt her, dass ich mit Elisabeth versackt bin», ereifere ich mich. «Zwei Monate! Aber immer noch muss ich mir deshalb blöde Bemerkungen anhören.»
    Ich drehe mich zu Schamski. Er hilft mir heute beim Zeitungen austragen. Während ich die Briefkästen abklappere, zieht Schamski den Bollerwagen mit den Zeitungspaketen. Letzte Nacht hat es wieder geschneit, was die Arbeit nicht gerade erleichtert. Stoisch wie ein Muli und leise schnaufend zerrt Schamski den Bollerwagen an mir vorbei.
    «Und jetzt frage ich dich», rufe ich ihm hinterher. «Ist es fair, mich zwei geschlagene Monate lang wie einen Aussätzigen zu behandeln, weil ich ein einziges Mal zu viel getrunken habe?»
    Schamski hält inne und atmet tief durch. «Wer behandelt dich denn wie einen Aussätzigen, Paul?»
    «Alle», maule ich. «Alle hacken auf mir rum.» Ich öffne mit einem Knarren den Deckel eines kitschig bemalten Briefkastens und lasse eine Zeitung darin verschwinden.
    «Und wer sind alle?», seufzt Schamski.
    «Alle eben. Melissa hat mich gefeuert …»
    «Moment!», unterbricht Schamski. «Sie hat dich gefeuert, weil du während deiner Arbeitszeit im Bett ihrer Mutter lagst. Das kann man Melissa beim besten Willen nicht verübeln. Außerdem hat sie dich ein paar Tage später wieder eingestellt. Wenn du jetzt aus Protest immer noch Zeitungen austrägst, dann ist das ganz allein deine Sache.»
    «Siehst du? Genau das meine ich! Wer sagt denn, dass ich das hier nur aus Protest mache?»
    «Etwa nicht?»
    «Nein! Ich mache das hier für einen ehemaligen Kollegen, der krank geworden ist. Ich vertrete ihn nur ein paar Tage. Aber das ist der Punkt! Dass mir alle immer nur miese Absichten unterstellen.»
    Wir schweigen. Schamski packt in Zeitlupe ein Kaugummi aus und schiebt es sich in den Mund. «Was unterstellt Iris dir denn beispielsweise?»
    «Iris glaubt, dass ich für Elisabeths pessimistische Stimmung verantwortlich bin. Statt mit ihr zu saufen, hätte ich ihr die Leviten lesen und sie sofort nach Hause bringen müssen.»
    Schamski sieht mich an. «Ehrlich gesagt, da ist was dran.»
    «Was hättest du denn an meiner Stelle getan? Eine gestandene Frau und Unternehmerin an ihrem achtzigsten Geburtstag quasi entmündigt?»
    «Schon klar, dass du deine Verlobte in Schutz nimmst», frotzelt Schamski.
    «Hör auf!», erwidere ich. «Mir geht das alles ziemlich an die Nieren.»
    Gerade will ich eine Zeitung in einen überdimensionalen, schmiedeeisernen Briefkasten werfen, da hört man eine Stimme rufen: «Nichts da! Nehmen Sie Ihr Drecksblatt wieder mit! Ich kündige!»
    «Hallo, Mr Jenkins», erwidere ich locker.
    Der alte Jenkins ist einer unserer speziellen Kunden. Etwa einmal pro Woche will er die Zeitung abbestellen. Mal sind ihm die Artikel nicht kritisch genug, dann wieder viel zu kritisch. Mal regt er sich über Werbebeilagen auf, mal über die Einführung von Sudokus auf der Rätselseite. Ich habe mit Jenkins insgesamt schon viele Stunden diskutiert. Heute habe ich keine Lust dazu, außerdem ist mir kalt. Und ganz nebenbei bin ich ja sowieso nur die Vertretung.
    «Okay, Mr Jenkins. Ich kann die Ausgabe von heute gern wieder mitnehmen. Aber eine Kündigung müssen Sie schriftlich einreichen. Und das geht leider nicht bei mir, sondern nur direkt beim Verlag.»
    «Wieso das?», fragt Jenkins argwöhnisch und lugt durch einen Spalt seiner Haustür, als wäre ich eine Bedrohung für Leib und Leben.
    Ich seufze. «Weil das eben so ist, MrJenkins. Ich habe Ihnen das doch schon ein paarmal erklärt.»
    «Das stimmt doch nicht!», blafft Jenkins. «Das sagen Sie doch nur, weil Sie mit diesen Verbrechern unter einer Decke stecken!»
    Ich stehe da und merke, dass in diesem Moment tief in mir drin etwas passiert, das an das Reißen einer Klaviersaite erinnert. Vielleicht habe ich in letzter Zeit zu viel einstecken müssen, vielleicht bin ich auch aus anderen Gründen abgekämpft, jedenfalls pfeffere ich nun eine zusammengerollte Zeitung durch Jenkins Vorgarten und versuche damit genau jene Lücke zu treffen, in der Jenkins Kopf zu sehen ist. Zum Glück verfehle ich ihn. Die

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