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Was will man mehr (German Edition)

Was will man mehr (German Edition)

Titel: Was will man mehr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Rath
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Schamski locker.
    «Klang ziemlich gut», stimme ich zu. «Ging aber trotzdem inhaltlich komplett an der Realität vorbei.»
    «Ach ja? Dann klär mich doch mal auf», erwidert Schamski, verschränkt die Arme und lehnt sich gemütlich zurück.
    «Das Problem des großen Paul Schuberth ist jedenfalls nicht, dass er nichts zu melden hat», äffe ich Schamski nach.
    «Sondern?», erwidert er.
    «Tatsächlich ist mein Problem, dass ich praktisch nicht wahrgenommen werde», erkläre ich. «Ich koche, ich putze, ich kümmere mich um die Einkäufe. Obendrein versuche ich Geld zu verdienen. Ich mache mich nützlich, wo es nur geht. Trotzdem habe ich das Gefühl, alle kämen auch prima ohne mich zurecht.»
    «Mir kullern gleich dicke Tränen die Wangen hinunter», höhnt Schamski. «Soll ich dir zum Trost vielleicht ein Stück Teekuchen spendieren? Ist allerdings von vorgestern. Ich erwähne das nur, damit du nicht denkst, die Teekuchenbäcker dieser Welt hätten sich auch noch gegen dich verschworen. So wie alle anderen.»
    Wir sehen uns an, und ich bin kurz davor, wortlos aufzustehen und Schamski einfach sitzen zu lassen. Irgendetwas sagt mir jedoch, dass er nicht ganz unrecht hat. Das ärgert mich zwar, aber dieser Ärger macht den Kohl jetzt auch nicht mehr fett. Ich überlege also.
    «So, so. Du findest, dass ich jammere», sage ich.
    Schamski wiegt den Kopf hin und her. «Jammern ist eigentlich untertrieben», antwortet er. «Du zeterst wie ein altes Waschweib.»
    «Wirklich?», frage ich unsicher. «So schlimm?»
    Schamski nickt. «Paul, mir ist schon klar, dass du es gerade nicht ganz leicht hast. Aber wenn man dich so hört, dann scheint dein Leben eine einzige große Katastrophe zu sein. Deine Jobs unterfordern dich heillos und sind außerdem schlecht bezahlt. Deine Familie missbraucht dich als Laufburschen. Obendrein sind alle undankbar, und die Londoner Verkehrsbetriebe behandeln dich sowieso wie Dreck …»
    «Nur bestimmte Kontrolleure und manche Busfahrer», werfe ich ein.
    «Jedenfalls frage ich mich schon seit einer Weile, warum du das hier alles auf dich nimmst. Offenbar gibt es rein gar nichts, für das sich die ganze Schinderei lohnt.»
    «Das ist aber jetzt eine rhetorische Bemerkung, oder?», frage ich unsicher.
    «Eigentlich nicht», erwidert Schamski mit einem Stirnrunzeln. «Ich weiß wirklich nicht, was dich hier hält.»
    Ich sehe ihn ungläubig an. «Na. Jona, natürlich.»
    «Jona?»
    «Dragijonarah. Mein Sohn. Wenn wir beide allein sind, nenn ich ihn Jona, damit wir nicht zu viel Zeit mit der Anrede verplempern.»
    «Jona», wiederholt Schamski verblüfft und nickt dann anerkennend. «Jona klingt gut. Klingt sogar sehr gut.»
    «Danke. Aber sag niemanden was davon, sonst krieg ich gewaltigen Ärger. Audrey hat sich Dragijonarahs Vornamen sehr genau überlegt und ist in dieser Hinsicht äußerst empfindlich.»
    «Jona», lächelt Schamski. «Und ich dachte schon, dein Sohn wäre dir zwar nicht völlig gleichgültig, aber auch nicht besonders wichtig.»
    «Was redest du denn da?», rege ich mich auf. «Spinnst du? Er ist mir nicht nur wichtig. Jona ist das absolut Beste, was mir je passiert ist. Die Jobs, die ich mache, und das Leben, das ich führe, sind völlig okay, solange ich Zeit mit meinem Sohn verbringen kann. Leider passiert das nicht oft, weil …» Ich unterbreche mich, denn ich merke gerade, dass ich schnurstracks auf das nächste Jammertal zusteuere. Schamski scheint recht zu haben.
    «Egal», winke ich ab. «Mein Leben ist jedenfalls keineswegs eine einzige große Katastrophe. Es ist aber auch nicht so perfekt, dass ich ganz ausschließen kann, ab und zu Leute mit Zeitungen zu bewerfen.»
    «Das leuchtet ein», erwidert Schamski nachdenklich und nimmt einen großen Schluck Tee. «Ist schon seltsam, dass man manchmal das Naheliegende nicht sieht. Mir ist gar nicht in den Sinn gekommen, dass du vielleicht einfach Angst haben könntest.»
    «Angst wovor?», frage ich irritiert.
    «Angst, deinen Sohn zu verlieren», erwidert Schamski mit ernster Miene.
    Ich nehme meinen letzten Schluck Tee. «Da ist was dran», sage ich und bin verwundert, dass mir dieser Gedanke nicht gekommen ist.
    «Man hat erst dann Angst, wenn man was zu verlieren hat», erklärt Schamski. «Und bisher hattest du nicht viel zu verlieren. Ich übrigens auch nicht.»
    Ich stutze. «Soll das etwa heißen, du hast auch Angst? Wovor?»
    «Noch zwei Tee?», fragt die Bedienung.
    «Für mich ’n Schnaps», antworte ich

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