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Was will man mehr (German Edition)

Was will man mehr (German Edition)

Titel: Was will man mehr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Rath
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kennengelernt.
    Meine Wahl fällt auf einen verschlagen wirkenden Kerl um die fünfzig mit Stoppelbart und trüben Augen, der auf einem Fischerboot hockt und seinen Kaffee mit Fusel verlängert. Er heißt Ronny, und für zwanzig Mäuse gibt er mir den Tipp, in einem der Lagerhäuser nach Micky zu fragen. Micky wiederum schickt mich für zehn Mäuse zu Franky. Der knöpft mir ebenfalls einen Zehner ab und rät mir, in der Kneipe einen Kerl namens Henry anzusprechen. Als ich genervt reagiere, weil meine Recherche zu einer Schnitzeljagd ausartet, beruhigt Franky mich. Angeblich kann Henry mir definitiv sagen, wer für den Job in Frage kommt. Henry nickt kompetent, kassiert stolze dreißig Mäuse und schickt mich dann zurück zu Ronny.
    «Ach so! Du willst einen inoffiziellen Charter nach England!», sagt Ronny und spielt den Erstaunten derart miserabel, dass man ihn nicht mal als Knallcharge im Kinderzirkus auftreten lassen würde. «Warum hast du das nicht gleich gesagt?»
    «Aber genau das habe ich gesagt», erwidere ich und bemühe mich, freundlich zu bleiben.
    Ronny mustert mich skeptisch, nimmt einen Schluck Fuselkaffee und überlegt. Bronko gibt mir einen kleinen Schubs. Offenbar soll ich mich unter keinen Umständen mit dem versoffenen Seemann anlegen. Schließlich ist er gerade unsere einzige Chance, den Kanal zu überqueren.
    «Vielleicht habe ich mich unklar ausgedrückt», setze ich höflich nach.
    Ronny nickt zufrieden. «Okay. Schon gut. Wollt ihr alle rüber?»
    «Nur er und ich», sage ich und zeige auf Schamski. «Und der Hund.»
    «Macht zweihundert pro Nase. Für den Hund kriegt ihr einen Sonderpreis.» Er betrachtet Fred. «Sagen wir hundert.»
    Ich will einwenden, dass Fred mich sowieso schon ein mittelgroßes Vermögen gekostet hat, aber Bronko kommt mir zuvor.
    «Einverstanden», sagt er schnell.
    «Gut», erwidert Ronny. «Vorkasse in bar. Wir starten in genau einer halben Stunde. Ich setze euch drüben ab, da, wo es gerade passt. Wenn es brenzlig wird, kehren wir um. In diesem Fall gibt es kein Geld zurück. Alles klar?»
    Wir nicken.
    «Und wer entscheidet, ob es brenzlig wird?», möchte ich wissen.
    Ronny sieht mich an, als hätte ich gerade zur Meuterei aufgerufen.
    «Was glaubst du denn, wer das entscheidet?», fragt er hämisch.
    Ich sehe ihm an, dass er gerade kein Interesse an einer Diskussion hat.
    «Ich würde sagen, der Kapitän», antworte ich wie ein braver Drittklässler. Heimlich beschließe ich, ab sofort meinen Mund zu halten.
    Ronny nickt. «Halbe Stunde», brummt er. «Und seid pünktlich.»
    «Netter Kerl, dieser Ronny», sage ich wenig später, als Schamski und ich in der Kneipe noch schnell eine Kleinigkeit essen und ein paar Schnäpse gegen die Seekrankheit kippen.
    «Ihr setzt auch gleich mit Ronny über?», fragt ein nervös wirkender, hagerer Mann am Nebentisch.
    Schamski und ich stutzen. Dann nicken wir.
    «Das ist gut», erwidert der nervöse Mann, während er fahrig mit seinen Händen eine Aktentasche umklammert. «Je mehr wir sind, desto besser.»
    Wie wir wenig später auf dem Kutter feststellen, sind außer uns noch neun weitere Flüchtlinge an Bord, nämlich zwei Immobilienmakler, drei Anwälte, drei Banker und ein ehemaliger Landespolitiker.
    «Gibt es ein Extraschiff für Frauen?», scherzt Schamski.
    «Das nicht», erwidert Ronny. «Aber Frauen fahr ich tatsächlich viel, viel seltener. Die sind wohl ehrlicher als Männer. Oder einfach schlauer.»
    Wenn wir an Deck wollen, müssen wir uns mit Ölzeug als Fischer verkleiden. Schamski und ich stehen in solchen Aufzügen am Bug des Schiffes, rauchen und betrachten die Kreidefelsen von Dover.
    «Gute halbe Stunde, würde ich sagen. Dann haben wir es geschafft.»
    Schamski nickt. Dann wirft er einen fast wehmütigen Blick zurück. Ich ahne, was jetzt gerade in ihm vorgeht.
    «Hör mal, ich hab mir überlegt, dass ich mit der Staatsanwaltschaft rede», beginne ich. «Der Anwalt, den Lisa mir empfohlen hat, ist ziemlich gut. Vielleicht kann er helfen, die Sache aufzuklären.»
    Schamski atmet tief durch. «Lass gut sein, Paul. Anwälte kosten viel Geld. Und unser letztes Geld hat Timothy mitgenommen. Ich warte einfach ab. In ein paar Jahren hat sich die Sache bestimmt erledigt.»
    «Willst du etwa ein paar Jahre lang untertauchen?»
    Er zuckt mit den Schultern. «Warum nicht? Ich mach meinen Job im Studio und helfe damit Melissa. Ich lebe mit der Frau zusammen, die ich liebe. Obendrein in einer großartigen Stadt. Und

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