Was will man mehr (German Edition)
immer nicht, was passiert ist. Elisabeth möchte es ihr nämlich persönlich sagen.
Den Verlag hat inzwischen ein Insolvenzverwalter übernommen. Elisabeth ist davon durch ein förmliches Schreiben in Kenntnis gesetzt worden. Sie hat es ohne jegliche Regung gelesen, dann zerrissen, angezündet und in den Kamin geworfen. Gute Show, fand ich.
Ich habe mich inzwischen auch bei Melissa und Elisabeth entschuldigt. Hätte ich Iris nicht informiert, wäre Timothy vielleicht das Handwerk gelegt worden. Und vielleicht wäre das Geld dann noch da. Zu meinem Erstaunen sind die Damen nicht der Ansicht, dass mich eine Schuld trifft. Ich vermute, sie haben ein schlechtes Gewissen, weil nun klar ist, dass Timothy den Verlag ruiniert hat und nicht ich. Als Prügelknabe für sämtliche finanziellen Probleme habe ich bislang einiges einstecken müssen. Ich nehme deshalb erfreut zur Kenntnis, dass ich diesmal glimpflich davonkomme.
Hoffentlich muss ich mich nicht auch für das entschuldigen, was ich heute tue, denke ich, als ich den Bahnhof von Sevenoaks betrete. Von hier aus nehme ich den Bus nach Morlyhan, einem winzigen Kaff südlich von London. Entweder gelingt es mir, Schamski seinen Herzenswunsch zu erfüllen, oder wir beide müssen überlegen, in welches Land wir als Nächstes auswandern.
Der Mann, an dessen Tür ich gerade geklopft habe, stutzt als er mich sieht. Im nächsten Moment hellt sich sein Gesicht auf.
«Sagen Sie nichts!», bittet er. «Ich werde selbst darauf kommen.» Er überlegt kurz, dann lächelt er. «Paul Schuberth. Mein Leidensgefährte bei einer nächtlichen Odyssee, die ich so schnell nicht vergessen werde.»
«Guten Tag, Reverend», sage ich.
Er reicht mir erfreut die Hand und bittet mich mit einer einladenden Geste ins Haus. Ich erwidere seinen Gruß, zögere aber einzutreten. «Ich komme, weil ich Sie um einen großen Gefallen bitten möchte, Brian. Die Sache ist allerdings illegal. Das sage ich gleich vorweg, damit Sie mich jetzt sofort wieder nach Hause schicken können.»
Mulligan lacht. «Paul, ich habe gerade einen sehr alten und sehr schweren Rotwein aufgemacht. Wenn Gott Sie in genau diesem Moment an meine Tür klopfen lässt, dann wird er sich wohl was dabei gedacht haben. Also bitte. Treten Sie ein.»
Weil der Wein noch atmen muss, trinken wir zunächst eine Tasse Tee. Dazu gibt es Kekse.
«Die müssen Sie unbedingt probieren. Hat meine Frau gebacken», erklärt Mulligan mit einem dezenten Lächeln und erfreut sich daran, dass ich irritiert wirke.
«Sie haben geheiratet», konstatiere ich.
Er nickt und zündet sich eine Zigarette an. «Richtig. Aber das ist ja noch keine Sensation. Raten Sie mal, wen ich geheiratet habe!»
«Die Bibliothekarin?», vermute ich.
Er schüttelt den Kopf. «Betty Crowley.»
Mein verblüfftes Gesicht amüsiert ihn. «Unserem Herrn hat es gefallen, Bettys Ehemann Patrick in der Blüte seiner Jahre zu sich zu holen. Bei den Trauergesprächen hat mir die Witwe dann verraten, dass sie mich damals mit Patrick nur eifersüchtig machen wollte. Wäre ich nicht so stur gewesen, hätte sie ihn nie geheiratet. Stellen Sie sich das mal vor! Nur um mir eins auszuwischen, ist sie mit Patrick vor den Traualtar getreten.» Er inhaliert genüsslich und bläst den Rauch zur Decke. «Genau genommen war sie sogar aus diesem Grund mehr als dreißig Jahre mit ihm verheiratet.» Mulligan sinniert und schüttelt den Kopf. «Erkläre mir einer die Frauen!»
Ich lächle und deute auf Mulligans Zigaretten. «Darf ich?»
«Haben Sie etwa wieder angefangen?», fragt er mit gespielter Strenge.
Ich nicke. «Nur ab und zu. Wenn es passt.»
«Bitte sehr. Bedienen Sie sich.» Er greift zum Rotwein und gießt uns ein. «Was macht Ihre Betty Crowley? Kommen Sie etwa wegen ihr? Wie war doch gleich ihr Name?»
«Iris.»
«Iris. Genau. Hat sie was mit dieser illegalen Sache zu tun, um die Sie mich bitten möchten?»
Er hält die Nase ins Glas, schließt die Augen, lässt den Duft des Weines auf sich wirken. Dann nimmt er einen kleinen Schluck, bewegt ihn prüfend im Mund und wirkt zufrieden. «Ausgezeichnet. Genau der richtige Tropfen für eine wildromantische Geschichte über das Leben und die Liebe. Dann schießen Sie doch mal los, Paul!»
Eine gute halbe Stunde und eine gute Flasche Bordeaux später habe ich Mulligan von Timothys Machenschaften, meinem Abend mit Iris, den Konsequenzen für Schamski und auch von dessen Heiratswunsch erzählt.
Mulligan merkt auf. «Und jetzt wollen
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