Was will man mehr (German Edition)
nichts zu tun hat.»
«Irgendwie bist du es offenbar immer noch», sagt Günther erstaunt.
«Was … bin ich offenbar immer noch?», frage ich unwirsch.
«Na, überzeugt davon, dass Iris nichts mit Timothys Sauereien zu tun hat.»
Günthers Bemerkung klingt absurd, aber wenn ich so darüber nachdenke, dann kommt mir Iris’ Betrug tatsächlich unwirklich vor. Fast so, als wäre diese ganze Sache nur ein seltsamer Traum.
«Ich vermute, dass Paul noch Zeit braucht, um das alles zu verarbeiten», mischt Bronko sich ein. «Aber er ist auf einem guten Weg.»
«Aha», erwidert Günther. «Und warum?»
«Weil er von seiner Liebe zu Iris gerade zum ersten Mal in der Vergangenheitsform gesprochen hat», sagt Bronko. «Vielleicht hat Paul es selbst noch nicht begriffen, aber Iris scheint ihm mit dieser Sache in London endgültig das Herz gebrochen zu haben.»
Entgeistert starre ich Bronko an. Ich habe tatsächlich noch nicht darüber nachdenken können, welchen Einfluss mein Erlebnis mit Iris auf meine Empfindungen zu ihr hat. Eine kurze Nacht lang habe ich den Traum geträumt, Iris doch noch zu erobern. Als dieser Traum am nächsten Morgen zerplatzte, da ist er in der Tat vielleicht diesmal für alle Zeiten zerplatzt. Wenn ich so darüber nachdenke, dann könnte an Bronkos Theorie durchaus was dran sein. Wird sich zeigen, ob mein Herz weiter an einer Frau hängt, die mich betrogen hat wie noch niemand zuvor. Oder ob die Sache in London zumindest den Effekt hatte, dass ich Iris nun vergessen kann. Das wäre immerhin auch etwas.
«Könnten wir uns vielleicht später um Pauls gebrochenes Herz kümmern?», mischt Schamski sich ein. «Mir wäre nämlich sehr daran gelegen, nicht in den Knast zu wandern. Und ich befürchte, die Polizei wartet nicht, bis wir Pauls Beziehungsprobleme ausdiskutiert haben.»
«So schnell landet man nicht im Knast», wirft Günther kompetent ein.
Bronko und ich sehen uns an. Wir wiegen beide skeptisch die Köpfe.
«Was nun? Ist die Sache brenzlig oder nicht?», will Schamski wissen.
«Klar ist die Sache brenzlig», erwidert Günther ungerührt. «Ich wollte dich jetzt nur nicht beunruhigen.»
«Danke, Günther», erwidert Schamski. «Wenn ich vorher nur ein bisschen beunruhigt war, dann bin ich jetzt ein bisschen in Panik.»
«Lasst uns mal in Ruhe überlegen», beginnt Bronko. «Im Grunde ist die Sache doch die …»
Er wird von Fred unterbrochen. Der knurrt kurz, hebt dabei den Kopf und spitzt seine anderthalb Ohren.
Ich folge seinem Blick. «Was hat er denn?»
«Wahrscheinlich ist Jona wach geworden», erwidert Günther. «Während der vergangenen Tage habe ich Fred beigebracht, als Babyphon zu arbeiten.»
«Aha», sage ich erstaunt und stehe auf, um nach meinem Sohn zu sehen.
Jona ist tatsächlich wach. Als er mich wahrnimmt, lächelt er. Ich streichele ihm sacht über den Kopf, und im nächsten Moment ist er wieder eingeschlafen. Ich muss an Audrey denken. Aus ihren geplanten täglichen Anrufen sind inzwischen unregelmäßige Mails geworden, die in knappen Worten erklären, dass der Job anstrengender ist als jemals ein Job zuvor. Zwischen den Zeilen ist zu lesen, dass sie zwar ihren Sohn sehr vermisst, aber auch gerade berufliche Erfahrungen sammelt, auf die sie nicht verzichten möchte. Ich frage mich, was Audrey sagen wird, wenn sie hört, dass ihre Schwester mit dem verbliebenen Familienvermögen durchgebrannt ist. Außerdem frage ich mich auch, was Audrey mir antun wird, wenn sie erfährt, dass ich Iris gewarnt habe.
Als ich wieder in den Ballsaal komme, in dem Bronko wohnt, ist für Schamskis Problem eine zumindest vorläufige Lösung gefunden worden.
«Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass Guido genau das tun sollte, was alle großen Männer getan haben, wenn die Situation brenzlig wurde.»
«Den Problemen unerschrocken ins Auge sehen?», mutmaße ich.
«Nein. Abhauen», antwortet Bronko, und nach einer Kunstpause fügt er hinzu: «Und du kannst Guido dabei helfen.»
Der Plan ist simpel. Schamski und ich schlagen uns zur französischen Küste durch, wo ich einen abgehalfterten und bestechlichen Kapitän auftreibe, der uns für ein paar hundert Euro illegal nach England übersetzt. Dort läuft alles wie gehabt. Schamski wird bei Melissa wohnen und in deren Studios arbeiten. Nunmehr inoffiziell, versteht sich. Solange er in London nicht in eine Passkontrolle gerät, kann er in Ruhe abwarten, wie sich die Dinge in Deutschland entwickeln.
«Vielleicht kommt ja die
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