Was will man mehr (German Edition)
Mucke wird uns binnen einer halben Stunde wahnsinnig gemacht haben. Danach stehen wir die restlichen fünf Stunden locker durch.»
Wir warten bis zum Hauptgang und hoffen, dass sich die Choreographie des Tanzes irgendwie ändert und absehbar wird, dass wir nicht die halbe Nacht hier verbringen müssen. Bronkos Stichproben ergeben jedoch, dass Mudra und Nazima zwischenzeitlich sogar an Tempo verlieren und statt drei Schleiern pro Minute plötzlich nur noch zwei schaffen.
Das ist der Moment, in dem Schamski sich erhebt und verkündet: «Ich werde mir jetzt irgendwo ein Bier und ein Steak besorgen.»
«Wir kommen mit», erwidert Bronko rasch und steht ebenfalls auf. Da nun auch Günther und ich dem Beispiel der anderen folgen, unterbrechen die irritierten Tänzerinnen ihre Darbietung. Wir ignorieren die Tatsache, dass die Damen noch je rund neunhundert Schleier am Leib haben und bedanken uns freundlich für die gelungene Vorstellung, als wären wir bereits mit dem Gezeigten vollauf zufrieden.
Bronko legt hastig ein paar Geldscheine auf den Tisch. «Stimmt so. Vielen Dank.»
Eilig machen wir uns auf den Weg zum Ausgang. Plötzlich taucht Balu auf. Er mustert uns irritiert, dann scheint er zu ahnen, was gerade passiert ist.
«Ist es das Essen?», fragt er mit leichter Verzweiflung und sieht mir dabei direkt in die Augen. «Oder gefallen Ihnen etwa meine Töchter nicht?»
Seine Töchter. Auch das noch.
Ich schüttele den Kopf. «Nein! Es ist alles wunderbar. Es ist nur …»
Ich überlege angestrengt, welche Lüge ich dem freundlichen älteren Herrn auftischen könnte, um seine Gefühle nicht zu verletzen.
«Es ist nur …» Mir fällt gerade keine gute Ausrede ein.
«Es ist nur, dass bei meiner Frau gerade die Wehen eingesetzt haben», springt Günther mir bei. «Mein Schwager und meine Brüder bringen mich schnell zu ihr, weil ich dabei sein möchte, wenn unser Kind auf die Welt kommt.»
Balus Gesicht hellt sich auf. «Das ist natürlich ein sehr guter Grund! Dann will ich Sie nicht länger aufhalten. Alles Gute und viel Glück!» Er tritt zur Seite und bedeutet uns mit einer Geste, dass wir passieren sollen.
Ich bin der Letzte in der Reihe. Als ich an Balu vorbeihuschen will, hebt der freundliche Inder kurz die Hand. Ich halte inne, er beugt sich zu mir.
«Sir, es gibt über tausend indische Restaurants im Großraum London», flüstert er mir ins Ohr. «Wenn Sie demnächst mal wieder nicht indisch essen möchten, könnten Sie dann bitte einen meiner Kollegen besuchen? Damit würden Sie mir einen großen Gefallen tun.»
Ich nicke schuldbewusst.
«Danke sehr», erwidert Balu. «Und einen schönen Abend noch.» Er faltet die Hände und deutet eine Verbeugung an.
Nach einem kurzen Spaziergang finden wir einen netten Pub. Die Steaks sind gut, das Bier ist kalt. Schamski wirkt versöhnt. Bronko ist die Sache mit dem Schleiertanz immer noch unangenehm.
«Entspann dich!», sagt Schamski. «Jetzt haben wir doch alles, was wir brauchen. Außerdem bekommen nicht viele Männer zum Junggesellenabschied von ihren Freunden den längsten Strip der Weltgeschichte geschenkt.»
Ein Lächeln huscht über Bronkos Gesicht. «Okay. Danke.»
Er macht eine Kunstpause. «Dann hoffe ich jetzt mal, dass dir die Pekingoper besser gefällt.».
Schamski entgleisen die Gesichtszüge, verstört blickt er in die Runde. «Ihr wollt mit mir in ’ne Pekingoper?»
«Ach was! Das war ’n Witz!», antwortet Bronko. «Ich hab uns für später noch eine schöne, alte Bar rausgesucht. Und das war es dann auch schon mit dem Programm für heute Abend.»
Schamski nickt anerkennend und winkt nach dem Barkeeper. «Aber das ist doch ein super Plan», sagt er. «Und wie weit ist es bis zu dieser Bar?»
«Zwanzig Minuten mit dem Auto?», vermutet Bronko.
«Gut», sagt Schamski. «Dann trinken wir jetzt noch ein Pint, und dann fahren wir los.»
Alle nicken.
«Und ich fahre», setzt Schamski nach.
Langsam drehen sich die Köpfe zu ihm.
«Kommen wir zufällig am Motorway vorbei, wenn wir zu dieser Bar fahren?», fragt Schamski scheinheilig.
Bronko wiegt den Kopf hin und her. «Kommt drauf an.»
Eine halbe Stunde später steigen wir in unseren Aston Martin .
«Finde ich gut, dass wir jetzt cruisen. Dann kommt die hier ja doch noch zum Einsatz», sagt Günther und reicht eine CD nach vorn.
«Was ist das?», will ich wissen.
«Musik», sagt Günther. «Hab ich uns gebrannt.»
«Warst du etwa auch einer von denen, die in den Achtzigern
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