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Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Titel: Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Moor
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versteh ich auch nicht, unbegreiflich», murmelt sie. Sie sieht aus wie Alice im Wunderland. Dieses Perplexsein passt
     nicht zu ihr, steht ihr überhaupt nicht. Auf mich wirkt es einigermaßen beunruhigend.
    «Ja, klar doch!», ruft sie, Blitz der Erkenntnis: «Ich war ja immer nur hier, wenn der Job es zuließ. Also nur, wenn auch
     sonst keiner arbeitet: abends, an Feiertagen. Da war natürlich kein Flugbetrieb.»
    «Tja», sinniert Müsebeck, «Sie sind ja nun schon die Dritten innerhalb der letzten Jahre, die das Haus gekauft haben. Die
     sind alle eingezogen, haben von großen Plänen und Projekten gefaselt, weiß der Geier wunder was sie hier alles auf die Beine
     stellen würden. Und dann, nach ein, zwei Jahren, schwups, waren sie wieder weg. Ganz kleinlaut dann.»
    Ich kann seiner Miene nicht entnehmen, ob er das bedauert oder |65| es ihn freut. Aber ich lerne, dass es hier gar nicht gut kommt, wenn man ankündigt, was man alles zu tun gedenkt. Es einfach
     tun, das ist hier das Motto. Sonja liegt goldrichtig mit ihrem «Tun wir es einfach».
    «Was sind denn das für Maschinen, die da starten und landen – das werden ja keine MiGs mehr sein, oder?», fragt sie Müsebeck.
    «Nee, nee, kein Militär. Privatpiloten, alle möglichen Privatflugzeuge. Einer hat da noch ’ne MiG stehen, aber die fliegt,
     glaub ich, nicht mehr. Und die vom Bundesgrenzschutz üben öfters mit ihren Hubschraubern, GSG 9.   Retten, bergen, Leute absetzen, Leute aufnehmen, all so was. Und sie trainieren oft mit diesen Infrarotsichtgeräten, mit denen
     die auch nachts fliegen können.»
    «Auch nachts, das heißt   …», beginne ich scharf zu kombinieren. «Ja, muss ja dunkel sein, wenn man Fliegen bei Dunkelheit üben will.» Müsebeck zuckt
     mit den Schultern.
    Ich erinnere mich nur zu genau, als ich in Bad Vöslau bei Wien den Pilotenschein machte, da zeigte die Piste auch genau in
     Richtung eines Dorfes. Wir hatten sofort nach dem Abheben abzudrehen, weil es streng verboten war, in niedriger Höhe über
     bewohntem Gebiet zu starten. Das war dort möglich, weil zwischen Pistenende und Dorf etwa zwei Kilometer Feld lagen. Dennoch
     litten die Bewohner offenbar unter dem Lärm, es gab andauernd Beschwerden, Eingaben, Anzeigen, und jeder Start war mit schlechtem
     Gewissen verbunden. Die Situation hier war im Vergleich wesentlich schlechter. Die Flieger konnten gar nicht abdrehen auf
     die kurze Distanz. Sie hatten keine andere Möglichkeit, als über unsere Dächer zu dröhnen.
    Meine Gedanken fangen an, sich um Juristisches zu drehen. Muss der Verkäufer einer Immobilie den Käufer über potentielle Lärmbelästigung
     aufklären? Kann man den ganzen Deal für ungültig erklären, wenn er es nicht getan hat? Im Vertrag steht: «gekauft |66| wie gesehen». («Wie gesehen» ist gut, mein lieber Moor   …) Das heißt, sollten Schäden an den Gebäuden zum Vorschein kommen, die Sonja nicht gesehen hat, könnten wir Milhoff nicht
     belangen. Aber da steht ja nicht: «gekauft wie gehört». Was ist damit? Sonja hat bei Kauf nichts gehört, dennoch kommt es
     jetzt zum Vorschein   … Kann man nun belangen oder nicht? «Wir brauchen sofort einen scharfen Anwalt», ruft der kleine Schweizer. Aber ich will,
     ich will, ich will unser neues Leben
nicht
mit Anwälten beginnen.
    Uns wird nichts anderes übrigbleiben, als irgendwie mit den Fliegern zu leben. Wir könnten unseren Hof «Propeller-Gut» nennen,
     «Am Düsenacker» oder «Kerosin-Ranch». Und wir müssen mit Autosuggestion arbeiten, uns erinnern, dass uns die Fliegerei ja
     grundsätzlich fasziniert und dass wir daher auch ihren Krach ganz doll lieb haben – Motorengeknatter als Symbol der Freiheit,
     oder so. Mit entsprechender Gehirnwäsche werden wir vielleicht irgendwann lernen, bei startenden Flugzeugen einen Trommelfell-Orgasmus
     zu bekommen. Und Entzugserscheinungen, wenn der Flugbetrieb mal Pause macht wie heute   … wegen der Techno-Party.
    «Und diese Techno-Partys   … Das wird ja nicht mehr gar so laut zu hören sein, bis hier rüber, oder?», frage ich hoffnungsvoll. Nervös stecke ich mir
     eine Entspannungszigarette an. Müsebeck nimmt sich noch einen Keks.
    «Ich will’s mal so sagen   …», er kratzt sich hinter dem Ohr, «also bei geschlossenen Fenstern und bei Ostwind geht es gerade noch. Da hört man nur so
     ein Wummern. Wenn man gute Fenster hat. Die Ihren sind ja noch fast neu.»
    «Und bei Westwind?»
    «Etwa so, wie wenn sie ’ne

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