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Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Titel: Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Moor
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aber bis
     zum Ablaufdatum waren es nur noch vier Tage, da hab ich keine gekauft», oder: «Ich hatte so viel zu transportieren, da war
     einfach kein Platz für zusätzliche Frischmilch.»
    Die Wochen vergingen, es wurde Sommer, und im Reich der Frau Widdel wurde weiterhin von allen ausschließlich H-Milch gekauft. Sie zeigte uns so richtig, wo der Hammer hängt, die gute Frau Widdel. Nämlich ganz eindeutig bei ihr.

|162| Teddy
    «Wofür braucht man denn Esel?», fragt der große Mann, an dem alles rund ist: runder Leib, runde Handrücken, kugelrunder Kurzhaarschädel,
     runde Gesichtsform mit runden Wangen, flankiert von runden Ohren mit kugeligen Ohrläppchen, runde Nase und kleine runde Augen.
     Auf rund 130   Kilo schätze ich sein kompaktes Gewicht. Satte Kraft, nix Schwabbeliges dran. Ein praller Mensch. Behände ist er die Leiter
     runtergeklettert, um Wasser zu holen, für seinen Bruder, den Dachdecker, damit der da oben in luftiger Höhe seinen Mörtel
     anrühren kann: Die Ziegelsteine unter den schweren Trägerbalken des Dachstuhls müssen neu gesetzt und verfugt werden.
    Die Erneuerung des Scheunendachs ist unsere erste Baumaßnahme am Hof. Nicht die krankehundekackfarbene Fassade, nicht das
     hässliche eiserne Gefängnishoftor werden verschönt, nicht die Terasse gebaut, die Scheune ist wichtiger. «Erst die Scheune,
     damit wir Futter und Gerät trocken lagern können, dann der Stall und erst dann das Haus», hat die Bäuerin verkündet. Lernt
     man so etwas in der Landwirtschaftsschule?
    |163| Also, zuerst das Scheunendach. Der Dachdeckermeister von Amerika ist mit seinem Bautrupp angerückt. Mit dabei: einer seiner
     vier Brüder. Ebender Runde, der jetzt mit seinem Eimer in den Stall geschlendert gekommen ist, wo ich gerade am Ausmisten
     bin. Er hat den Eimer unter den Wasserhahn gehängt, das Ventil geöffnet und wartet, bis er vollgelaufen ist. Zeit für ein
     Schwätzchen.
    «Wofür man Esel braucht?», echoe ich. Was sollte ich ihm antworten? Zum Liebhaben? Der würde doch einen Lachkrampf kriegen.
     Tiere hält man
für
etwas, nicht einfach nur so. Pferde zum Reiten, Hunde zum Wachen, Katzen wegen der Mäuse. Schafe, Schweine und Karnickel zum
     Essen. Kühe auch und die zusätzlich noch wegen der Milch. Und Federvieh zum Grillen, wegen der Eier und wegen der Daunen.
     Aber Esel? Wofür braucht man Esel?
    Soll ich ihm jetzt erzählen, dass wir den jungen Eselhengst aufgenommen haben, weil er sonst in die Wurst gekommen wäre, und
     dass wir die Eselin gekauft haben, weil ein Esel allein nicht geht? Und dass die beiden dann eben noch zwei weitere Eselchen
     gemacht haben? Die man genauso wenig
für
etwas gebrauchen kann? Außer, um sich an ihnen zu freuen?
    Steh doch einfach dazu, sage ich mir, das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass er denkt, wir haben einen Sprung in der
     Schüssel. Womit er ja nicht unrecht hätte. (Bitte beachten Sie, liebe Leser, an dieser Stelle, womit sich ein Schweizer beschäftigt,
     bevor er auf eine einfache Frage eine ehrliche Antwort zu geben in der Lage ist. Darum sind wir so langsam.)
    «Also, äh, Esel braucht man heutzutage eigentlich für nichts mehr so wirklich. Wir halten sie einfach, weil wir   … an Eseln Freude haben.»
    «Wegen der Freude, wa?», macht der runde Mann. Hat er meinen Sprung in der Schüssel schon geortet, oder wartet er einfach
     auf mehr Info?
    |164| «Ja», fühle ich mich bemüßigt zu ergänzen. «Ich bin überzeugt, dass Esel wesentlich klüger sind als Pferde. Wir hatten auf
     dem letzten Hof so Riegel an den Scheunentoren, so spezielle, die kein Pferd aufkriegt. Die Esel schon. Die stellen sich vor
     die Riegel und probieren mit einer Engelsgeduld, stundenlang, tagelang, bis sie die verdammten Dinger offen haben. Sie brachen
     in unsere Scheune ein und richteten ein heilloses Chaos an. Ich hab sicher drei Riegelvarianten ausprobiert, die Esel haben
     alle drei geknackt. Bis ich von innen verschloss, da hatten sie dann keine Chance mehr. Aber wir konnten künftig auch nicht
     mehr einfach in die Scheune und mussten jedes Mal um das ganze Ding rumlaufen und durchs halbe Haus, um über den Hausdurchgang
     in die Scheune zu kommen und die Innenriegel zu öffnen.»
    «Sind clever, die Biester, wa? Und stur.» Der Runde hängt den vollen Eimer ab, lässt ihn, den Henkel in seiner halbgeschlossenen
     Faust, hin und her baumeln. «Sagt man doch so allgemein, wa? Dass die stur sind, die Esel.»
    «Na ja, wie man’s nimmt. Ich

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