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Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Titel: Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Moor
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denke, sie sind aus Klugheit stur. Wenn einem Esel etwas nicht geheuer ist, dann bleibt er erst
     mal stehen und denkt nach. So nach dem Motto, lieber nix machen als was Falsches, jeder Schritt kann tödlich sein. Ein Pferd
     hingegen kriegt Panik und rennt ohne Sinn und Verstand drauflos. Wenn es Pech hat, direkt in sein Verderben.»
    «Der Mensch will lenken, aber der Esel tut denken, wa?», sagt er und lacht. Auch das Lachen ist rund, herzhaft. Da hat mir
     dieser Mann mal eben ganz nebenbei die schönste und stimmigste Definition des Wesens der Esel geliefert, die ich kenne.
    «Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen. Ein Pferd kann man zwingen, einen Esel muss man überzeugen.»
    «Det gefällt mir.» Wieder lacht er. «Denn ist det ja ein Kompliment, wenn einer ‹Esel› zu dir sagen tut.»
    |165| «He, Teddy, hast du dich zu den andern Eseln ins Stroh gelegt?», tönt es vom Scheunendach herunter. «Wo bleibt das Wasser?»
    «Nu ma langsam mit die Gäule», ruft Teddy zurück und brummt halb zu sich, halb zu mir: «Da hat der Leithengst wohl ’n bisschen
     gewiehert   …»
    Teddy, eigentlich Theo, wird nicht zum letzten Mal auf unserem Hof geholfen haben. Er ist ein Mann von Prinzipien. Eines dieser
     Prinzipien lautet: Wer Charakter haben tut, der redet, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Und daran hält sich Teddy eisern.
     Spricht, wie von Muttern gelernt. Brandenburgisch. Und die hat eben nicht gesagt: «Wenn du zu viel Eis isst, wird dir schlecht
     werden», sondern: «Dir wird schlecht, wenn de zu viel Eis essen tust.» Alte Sprache, die Teddy noch lebt. Und wenn andere
     denken tun, er kann kein richtiges Deutsch nicht, tut ihm das piepegal sein.
    Einmal, Teddy hatte ein Loch für eine Verzweigung der Hofwasserleitung gebuddelt, fragte er mich: «Wo willst de denn die janzen
     Klamotten hinhaben?»
    «Welche Klamotten?»
    «Na, da sind ’n paar dolle Klamotten in die Erde drinne.»
    Ich dachte mir: «Wer hat denn da Kleider vergraben auf dem Hof?», und witterte schon einen sensationellen historischen Fund.
     Dann fiel mir ein, hier war ja Krieg, Amerika hatte gebrannt, Hitlers letztes Aufgebot von Kindersoldaten und Greisen hatte
     in der Gegend noch wenige Tage vor der Kapitulation fanatisch rumgeballert. Es wurde nochmal so richtig sinnlos drauflosgestorben.
     Waren die Klamotten, die Teddy da gefunden hatte, vielleicht Uniformen von damals eilig verbuddelten «Helden»? Gänsehaut kroch
     mir über den Rücken.
    «Zeig mir mal diese Klamotten, Teddy.»
    Wir gingen zum Erdloch. «Wo sind sie?», fragte ich.
    «Na da.» Teddy zeigte neben die Grube.
    |166| «Ich seh sie nicht», gab ich zu und fragte mich, welcher von uns beiden jetzt schleunigst eingeliefert werden sollte. «Ich
     sehe nur dein Loch und ein paar Feldsteine daneben!»
    «Sach ich doch, und wo willste se jetzt hinhaben, die Klamotten, ’tschuldigung, die
Feld-stei-nö

    Steine heißen tatsächlich ursprünglich Klamotten. Wer wann warum auf die hirnrissige Idee kam, Kleider als «Steine», also
     als «Klamotten» zu bezeichnen, ich weiß es nicht.
    Ähnliche Sprachverwirrung gab es, als Teddy uns später einmal bei der Heuernte half. «Dieter, haste ma ’ne Forke für mich?»
     Ich begriff nicht, was Teddy jetzt, mitten auf der Heuwiese, mit einer Forke wollte. Forken verwendet man in der Schweiz,
     um in Gartenbeeten das Unkraut fein säuberlich herauszuhäckeln. Hier in Amerika jedoch ist eine Forke, wie sich herausstellte,
     eine Gabel. Wie ja übrigens auch drüben in England. «Fork».
    Ein weiteres seiner Prinzipien stellt Teddy gerne auf seiner breiten Brust zur Schau. In großen roten Buchstaben prangt auf
     seinem Lieblings- T-Shirt «No woman, no cry». Was Teddy übersetzt mit: «Keene Frau, keen Geschrei». Teddy ist der einzige, wirklich der einzige Mann,
     den ich kenne, der Junggeselle ist, weil er Junggeselle sein will. Er hat so seine Erfahrungen gemacht, und ihm «reicht’s
     mit die Weiber», wie er sagt.
    «Nichts als Unruhe und Ärger. Die wollen dir immer erziehen. Und wenn de nicht machen tust, wie die wollen, denn ist det nicht
     gut und det ist schlimm und so biste nicht richtig und andersrum biste och falsch. Und für all den Scheiß sollste auch noch
     dankbar sein. Nee, dat lohnt nich für dat bisschen Vögeln, wa? Det lass ich denn lieber einfach weg, den ganzen Rotz, und
     hab meene Ruhe.»
    Teddy ist auch der einzige, wirklich einzige mir bekannte Mann, der unbeweibt lebt, zusätzlich

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