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Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Titel: Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Moor
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kommen.»
    «Dieser Plan gefällt mir nicht», rief Sonja mit gespielter Empörung und stellte fest: «Welche geheimen Zauberkräfte Herr Schönemann
     bei Frau Widdel auch immer eingesetzt haben mag, uns stehen sie leider nicht zur Verfügung.»
    «Schade, eigentlich. Frischmilch und die richtigen Zigaretten   … ich hatte schon gehofft. Na, dann geht der Laden eben vor die Hunde, genießen wir die Widdel-Schrippen, solange es sie noch
     gibt!», sagte ich und ließ es krachen, indem ich meine Zähne herzhaft in eine knusprige Schrippe rammte.
    «Ganz sicher nicht werde ich jetzt die Hoffnung aufgeben», konterte Sonja. «Wir haben doch jetzt den Beweis: Frau Widdel hat
     sehr wohl ein Herz für Kunden. Das ist sogar richtig romantisch von ihr, dass sie die Zeitungen nicht aus dem Sortiment genommen
     hat, obwohl die Zielgruppe, genauer gesagt
der
Zielgrupperich, vom Schlag getroffen wurde.»
    «Romantik? Reine Gewohnheit», wiegelte ich ab. «Die blonden Haare und die roten Nägel sind ja auch noch da, obwohl der Zielgrupperich   …»
    «Jetzt sei nicht so, wer sagt, dass ihr Look mit ihm etwas zu tun hat, also wirklich, du böööser Maaaan, du.»
    Da haben wir’s wieder, dachte ich, erst setzt sie mir eine Grille ins Ohr, und wenn ich sie dann aufnehme   …
    «Wer ist hier böööse», sagte ich, «erst setzt du mir eine Grille ins Ohr, und dann   …»
    |160| «Schau, das ist doch jetzt Blunzn.» Sonja kam richtig in Fahrt. «Wir haben folgende Fakten: Erstens, Frau Widdel hat einem
     Kundenwunsch entsprochen. Zweitens, es ist für Kunden grundsätzlich möglich, sie zu beeinflussen. Drittens, wir sind Kunden.
     Also?»
    «Also?», fragte ich gespannt.
    «Also fangen wir mit der Frischmilch an.»
    «Und machen weiter mit den richtigen Zigaretten.»
    «Und dann kommt das frische Gemüse.»
    «Und die Bio-Produkt-Linie.»
    «Und frische Fruchtsäfte und Brandenburger Spezialitäten aus der Region», schwärmte Sonja.
    Ich schwärmte mit: «Genau! Und dann kommen Tische auf die Terrasse, und da gibt es selbstgemachte belegte Schrippen und einen
     guten heißen Kaffee mit Frischmilch. Oder Eis nach eigenem Rezept aus der Milch der Kühe, die wir dann haben. Und der Laden
     hat auch am Wochenende geöffnet, und bei Ausflüglern aus Berlin wird er als Geheimtipp gehandelt, das Ganze entwickelt sich
     zur Goldgrube, Frau Widdel vergibt das Konzept franchisemäßig an alle Ex-Konsums im ganzen Land, ‹Mein Amerika-Laden› heißt
     die Kette, und die Widdel stirbt nach vielen erfolgreichen Jahren als uralte, stinkreiche Blondine und wird unsterblich als
     Stifterin eines hochdotierten Förderpreises für junge Wissenschaftsjournalisten, und Amerika geht in die deutsche Wirtschaftswundergeschichte
     ein.»
    Sonja sah mich todernst an. «Genauso wird es sein», stellte sie fest. «Also fangen wir an!»
    «Womit?»
    «Na, mit der Frischmilch. Dann sehen wir weiter. Ein Schritt nach dem anderen.» Auch so eines von Sonjas Lieblingsmottos.
     Und so geschah es. Bei jedem, aber auch konsequent bei
jedem
Schrippenkauf fragten wir Frau Widdel hinterhältig-freundlich, |161| ob sie vielleicht heute zufällig Frischmilch hätte. Frau Widdel entpuppte sich als variantenreiche Meisterin im Erfinden von
     zum «Hammwanich-Gesicht» passenden Texten. Nach dem bekannten «Frischmilch wird hier nicht verlangt» wechselte sie zu «Ich
     hab Frischmilch mal ausprobiert, und dann ist sie mir im Regal schlecht geworden». Es folgte «Frischmilch ist nicht immer
     frisch, im Sommer wird die schnell schlecht, und dann wären Sie ja auch nicht zufrieden» und schließlich: «Wer ersetzt mir
     denn den Schaden, wenn ich am Freitag die Milch nicht verkaufen kann, und Montag ist sie dann über dem Ablaufdatum?»
    Jetzt war der Moment gekommen, ihr unser strategisches Kooperationsangebot zu unterbreiten. Wir gaben ihr eine Abnahmegarantie.
     «Frau Widdel, wir konsumieren im Schnitt drei Liter Frischmilch am Tag, wenn Sie tatsächlich welche nicht verkaufen können
     sollten, würden wir sie Ihnen auf jeden Fall abnehmen. Garantiert. Sie gehen kein Risiko ein.»
    Zack, jetzt hatten wir sie, jetzt konnte sie sich unmöglich länger gegen Frischmilch sperren. Frau Widdel meinte: «Na gut,
     wenn das so ist, dann bring ich demnächst mal welche mit, dann werden wir ja sehen   …»
    Sieg! Das bedeutete Sieg!
    Dachten wir.
    «Zu blöd, jetzt hab ich ganz vergessen, Ihre Frischmilch mitzubringen», oder: «Ich hab an Ihre Frischmilch gedacht,

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