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Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Titel: Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Moor
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anwenden, ist aber nie nötig. Seine Lautstärke und sein nicht eben salonfähiger
     Wortschatz reichen in aller Regel.
    Wer Krüpkis Auftritt unbeeindruckt wegsteckt und freundlich bleibt, vor dem hat er Respekt. Und dem öffnet er sein großes
     Herz unter der rauen Schale, für den geht er durch alle Feuer dieser Welt, ohne Hölle und Teufel zu fürchten, wenn es denn,
     verfluchte Scheiße nochmal, sein muss.
    Wer mit Pferden kann, kann auch mit Krüpki. Die Einzige, die mit Pferden nicht kann, mit Krüpki aber schon, ist seine Angetraute,
     die Lotte. Auch Lotte hat physisch einiges an Wucht zu bieten. Ein Vollweib. Sehr kompakt, aber mit allen Rundungen, die nach
     Krüpkis Geschmack ein ordentliches Weibsbild haben soll. «Großzügig ausjestattet», wie er zufrieden kommentiert.
    Lotte ist Intellektuelle. Chemikerin. Samt Doktortitel und allem Drum und Dran. Damals hat sie auch und gerade durch die Russen
     hohes Ansehen genossen. Sie haben Lotte als Fachspezialistin sogar nach Sibirien einfliegen lassen. Viel kann sie allerdings
     nicht darüber erzählen, das war nämlich alles ziemlich geheim   …
    Lotte und Krüpki lieben sich gerade darum, weil ihre beiden Welten so grundverschieden sind.
    Unmögliches Bild eins: Krüpki im aseptischen Labor, mit seinen verbliebenen neun dicken Fingern zarte Chemieviolen und haardünne
     Glasröhrchen manipulierend. Unmögliches Bild zwei: Lotte mit Gummistiefeln im Stall, mitten in einem dampfenden Haufen Pferdeäpfel
     stehend, mit Salbe jene Pferdekörperstelle einschmierend, aus der die Äpfel gepurzelt sind   …
    Unmöglicher Ton eins: Lotte flucht. Unmöglicher Ton zwei: Krüpki verwendet den Genitiv.
    Die Chinesen haben Yin und Yang erfunden, damit die beiden ein glückliches Paar sein können   …
     
    |212| Nie werde ich Krüpkis allerersten Auftritt auf unserem Hof vergessen. Wir waren damals vielleicht seit einem Vierteljahr in
     Amerika. Sonja und ich quälten uns gerade damit ab, zusätzlich gekaufte Bücherregale auszupacken, zusammenzuschrauben und
     aufzustellen. Sie sollten bestückt werden mit den Tonnen von Lesestoff, die noch immer in den Umzugskartons im Keller lagerten
     und da unten womöglich langsam Schimmel ansetzten. Einige Regale standen schon fix und fertig an der Wand, inzwischen hatten
     wir die kryptische Zusammenbauanleitung auch ohne Schwedischkenntnisse geknackt und werkelten routiniert und ohne viele Worte
     Hand in Hand vor uns hin. Die Arbeit begann, jenen gewissen Grad an Befriedigung zu kriegen, der nur Do-it-yourself-Großmeistern
     vergönnt ist, da malträtierte auf einmal das hochfrequente Gezeter einer (menschlichen?) Stimme unsere Trommelfelle.
    «Was ist denn das ’n Hof, Mensch! Tor nicht versperrt, keene Klingel, keen Mensch rum, wa?», tönte es.
    «Dietaaaa! Da ist einer im Haus!», rief Sonja erschrocken und stellte das Regalbrett, das sie gerade dabei war, mit der Nute
     J nach unten – «schaue Zeichnung fünf»– in die an den Regal-Seitenteilen A und B mit der Schraube F1 und dem Stiftschrauber
     Y «angedrehten» Regalbretthalter G «einrasten zu lassen», bis ein «deutliches Kluck zu verhören ist», auf den Boden zurück.
    «Aua», sagte ich und zog meine Zehen unter dem Regalbrett hervor. «Ich glaube, der klingt nur, als wäre er schon im Haus,
     weil er so laut ist.»
    «Haaaaaaaloo? Was denn das für ’ne Schweinewirtschaft, keen Hund schlägt an, wie sich dat gehört, und die Herrschaft lässt
     sich ooch nicht herab, mal zu kieken, wat denn da vielleicht für einer aufm Hof steht. Wie bestellt und denn vergessen, wa?
     Haaaaaloooooo!!!»
    Und erst jetzt, als ob die Sennenhündinnen ihre gekränkte Ehre |213| retten wollten, schossen sie auf und wetzten zur Tür, wo sie den beeindruckenden Beweis antraten, dass sie in puncto Lautstärke
     dem Mann fast ebenbürtig waren, den wir durch die Glasscheiben auf dem Hof stehen sahen – breitbeinig, die kurzen Ärmchen
     in die Seiten gestemmt, krakeelend. Ehe ich es verhindern konnte, hatte Sonja die Tür geöffnet, die Hunde drängelten sich
     vor uns hinaus und preschten wütend bellend auf den Eindringling los.
    «Das ist aber jetzt gar nicht gut!», machte mein kleiner Schweizer in Panik. «Wenn der Angst vor Hunden hat   … der ist doch sowieso schon so wütend   … der macht euch jetzt fertig, wir können die Bücher gleich wieder einpacken und abhauen, oder, das war’s jetzt mit Amerika,
     der zeigt euch an, und dann gute Nacht, hä!»
    «Na

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