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Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Titel: Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Moor
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Frühstück, da klingelte es, und die Babuschka stand in
     der Tür. Neben ihr saß Iwan, der gar nicht mehr zum Fürchten aussah, eher lächerlich mit seiner Halsbinde und dem großen Plaste-Trichter
     um den Kopf.
    «Wir wollten uns bei dir bedanken, Schwester Alma», sagte die Babuschka.
    «Bitte, gern geschehen», erwiderte Schwester Alma.
    «Tja», machte die Babuschka.
    «Na denn   …», sagte Schwester Alma.
    «Wie kann ich dir das jemals   …», begann die Babuschka.
    «Ist erledigt. Mach dir keinen Kopf», unterbrach Schwester Alma und biss in das Leberwurstbrot, das sie noch in der Hand hielt.
    «Mein Iwan hier verdankt dir sein Leben, und das weiß er auch, da bin ich mir sicher.»
    «Ich mag trotzdem keine Hunde», sagte Schwester Alma kauend. «Aber danke, dass du vorbeigekommen bist, ich wünsch dir alles
     Gute, Babuschka.»
    «Das wird schon, mein Süßer, wirst sehen», sagte die Babuschka hilflos zu Iwan und dann zu Alma: «Na denn, schönen Tag noch.»
    «Euch auch einen schönen Tag», sagte Schwester Alma und ärgerte sich, dass sie «euch» gesagt hatte. Sie war eigentlich schon
     dabei, wieder ins Haus gehen, da bückte sie sich zu Iwan hinunter und hielt ihm das Leberwurstbrot direkt unter die Schnauze.
     Er hat es nicht genommen.

|209| Krüpki
    Für unsere allmählich fortschreitende Verwurzelung in amerikanischem Boden sollte nach der ersten Heuernte ein Mann entscheidende
     Bedeutung erlangen, der heute, da ich von ihm erzähle, zu einem Freund geworden ist: Krüpki. Der Mann, auf dessen Land zur
     Zeit unserer Ankunft die Techno-Party stattfand.
    Wenn Krüpkis Gesicht im Blickfeld auftaucht, eher aufgeht, denkt man unwillkürlich an Vollmond, an Morgensonne, an Melonen
     und reife Tomaten. Rund, rot, saftig. Zwei kleine hellwache Äuglein, ein breiter Mund, darin nicht mehr ganz weiße, aber beeindruckende
     Hauerchen. Auf dem gewaltigen Kopf, mager verteilt: dünner Babyflaum. Morgens akkurat über die Platte gescheitelt, im Laufe
     des Tages mehr und mehr zum wolkigen Fadenspiel der Lüfte mutierend. Sein Haupt ruht fest auf einem kurzen breiten Hals, aus
     dessen Kehle er so durchdringende Schallfrequenzen über die Weiten des Brandenburger Landes zu senden in der Lage ist, dass
     er sich hörgeschädigten Techno-Freaks selbst dann verständlich machen kann, wenn sie neben einer dröhnenden Full-Power-XX L-Sound -Box stehen.
    |210| Die Frage, die Krüpki niemals in seinem Leben gehört hat, lautet: «Was hast du gesagt?» Man versteht ihn immer. Nicht nur
     akkustisch, auch inhaltlich lässt seine Ansprache keinen Raum für Missverständnisse. Widerspruch gibt es bei Krüpki nicht.
     Einfach nicht. Wem würde es schon einfallen, dem heulenden Sturm, dem brandenden Meer, dem grollenden Gewitter zu widersprechen?
     Eben.
    Krüpki hat immer schon mit Pferden zu tun gehabt. Krüpki ohne Gäule, das wäre wie ein Eisenbahnzug ohne Lok, wie ein Flugzeug
     ohne Flügel, wie ein Windjammer ohne Segel. Er könnte das Buch «Was der alte Stallmeister noch wusste» geschrieben haben.
     «Erst meene Gäule, denn meene Gäule und denn lange nüscht und denn das restliche Kroppzeug», sagt er gerne. Er kennt jedes
     Hausmittelchen gegen jedes Ross-Wehwehchen. Jedes Nüsternzittern ist für ihn aufschlussreicher als die modernste Diagnosetechnik
     für den Tierarzt. Krüpki könnte längst die Beine hochlegen und seine Rente genießen, aber er muss weitertun. Kann einfach
     nicht lassen von der Handvoll Pferde, die er noch immer auf seiner Koppel stehen hat. Sie sind seine Lok, seine Flügel, seine
     Segel   …
    Krüpkis Sozialisierung ist durch Pferde vonstattengegangen. Von ihnen hat er gelernt: «Wenn de Ärger vermeiden willst, gleich
     mal klarmachen, wer der Chef ist. Erst im Guten. Mit ein bisschen Wichtigmachen und ordentlich Aufplustern. Wenn det nix fruchtet,
     ein wenig erschrecken. Und wenn es der Gaul dann immer noch besser weiß wie du, dann kriegt er eben mal ganz fix eins über
     die Neese gezogen. Denn ist Ruhe, und man kann zusammen arbeiten. Und nie nachtragend sein. Und nie hetzen mit die Gäule.
     Und du musst immer bereit sein, durchs Feuer zu gehen für deine Viecher, denn tun die das nämlich auch für dich.»
    Dieses Rezept überträgt Krüpki eins zu eins auf die Menschen seiner Umgebung: Erst mal zeigen, wer der Chef ist. Plustern
     per Lautstärke. Ein bisschen erschrecken per Kraftausdrücke. Das mit |211| dem Nasenstüber würde er getrost auch bei Menschen

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